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Volker Beck
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Frage von Peter U. •

Frage an Volker Beck von Peter U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

In der taz haben Sie sich in der Folge der Immendorff-Verurteilung mit Drogenkonsumenten soldiarisiert und in dem Zusammenhang gesagt:
""Die Strafverfolgung von Drogenkonsumenten spottet jeder rationalen Strafrechtspolitik. Wer niemandem Schaden zugefügt hat, außer vielleicht sich selbst, kann auch nicht schuldig sein. Seine Schuld besteht allein darin, dass er sich nicht vor dem Geßler-Hut der Prohibition verneigt hat."

http://www.taz.de/dx/2004/08/10/a0163.1/text.ges,1

Wie stehen Sie zur legalen Abgabe von THC (Cannabis, Marihuana) und zur Straffreiheit für Konsumenten auch andere Drogen? Wie begründen Sie ihre Haltung?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen wollen eine rationale Drogenpolitik, die auf den Dreiklang aus Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung setzt. Die Kriminalisierung der KonsumentInnen ist der falsche Weg, wenn der verantwortungsvolle Umgang mit Drogen das Ziel ist. Bei weichen Drogen wie Cannabis wollen wir unter Berücksichtigung des Jugendschutzes eine legale Abgabeform – wie in den Niederlanden – ermöglichen. Weiterhin setzen wir uns für vernünftige Regelungen und Grenzwerte im Bereich Straßenverkehr ein. Für Schwerstabhängige so genannter »harter« Drogen wollen wir die kontrollierte medizinische Abgabe (»Heroinprojekt«).

Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass vergleichsweise wenig gefährliche Substanzen wie Cannabisprodukte in Deutschland oft nur in einem Milieu erworben werden können, in dem es auch härtere, wesentlich gefährlichere Drogen gibt. Damit schafft man den Nährboden für eine Suchtspirale für Kinder und Jugendliche. Das ist unverantwortlich.

Grundsätzlich bedeutet eine wirksame Drogenpolitik für Bündnis 90/Die Grünen, dass Entkriminalisierung und suchtstoffübergreifende Präventionskonzepte Hand in Hand gehen müssen. Ziel einer konzertierten Präventionspolitik muss es sein, dass Kinder und Jugendliche nicht bzw. möglichst spät mit dem Konsum von Drogen experimentieren und sich nicht regelmäßige Konsummuster herausbilden.

Wir liegen mit der Einschätzung richtig, dass das Strafrecht über Jahre hinweg einen Beweis schuldig geblieben ist, den Konsum von Cannabis zu reduzieren und dass neue Wege eingeschlagen werden müssen.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hat seinerzeit einmal ausgeführt:

„Das gegenwärtige Strafrecht ist den Beweis seiner Konsum begrenzenden Effektivität über Jahrzehnte schuldig geblieben. Vielmehr führt die massive Ahndung von Delikten im Umfeld des reinen Konsums zur sozialen Ausgrenzung eines ständig steigenden Anteils junger Menschen in Deutschland insbesondere über den Verlust von Arbeitsplatz und Führerschein. Dies widerspricht den Erfordernissen glaubwürdiger Cannabisprävention. Besitz und Anbau von Cannabis zum ausschließlichen Eigenkonsum dürfen nicht länger Biografien gefährden. Die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 1994 und 2002 sind unverzüglich umzusetzen."

Diese Stellungnahme bestärkt uns politisch, die Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten voranzutreiben. Gleichzeitig ist der Aufbau von Präventions- und - wo notwendig - auch von Therapieangeboten geboten.

Bei Konsumenten harter Drogen muss der Schwerpunkt auf der Behandlung und nicht auf Repression liegen. Noch in dieser Wahlperiode haben wir uns – auch in einem Bundestagsantrag (BT-Ds. 16/2075) – für die Fortführung von Modellprojekten bei der Heroinbehandlung ausgesprochen. Sie sind ein taugliches Mittel, um heroinabhängigen Menschen zu helfen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass es nach geht es etwa 80 Prozent der mit Heroin behandelten schwer abhängigen Suchtkranken besser geht. Ihre körperlichen Beschwerden nehmen ab. Sie gehen häufig einer geregelten Arbeit nach und sind sozial integriert. Der Kreislauf von Beschaffungskriminalität und Verelendung wird gestoppt. Und: Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten liegen unter denen der Methadonbehandlung.

Ich halte nichts davon, den Besitz harter Drogen zum Eigengebrauch zu kriminalisieren. Der Staat begibt sich zudem in einen Widerspruch, wenn er einerseits von den Menschen in allen möglichen Bereichen mehr Eigenverantwortung einfordert, andererseits beim Thema Drogenkonsum aber auf Bevormundung setzt. Statt hier die Keule des Strafrechts zu schwingen, halte ich eher ein flächendeckendes Angebot des Drug-checkings für notwendig, damit Konsumenten einen Überblick haben, mit welchen Mitteln sie letztlich ihrer eigene Gesundheit Schaden zufügen. Hinzukommen muss eine Informationspolitik, die über physische und psychologische Risiken des Drogenkonsums aufklärt und die Handlungskompetenz der Bürger in diesem Feld nachhaltig stärkt.