Frage an Volker Beck von Thilo M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
wie bekannt, treten Sie persönlich für ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare ein. Ich kann das leider nicht nachvollziehen.
Es geht mir nicht um die Ehe, eine Ehe betrifft ja die Paarebene.
Mir geht es um die Sicht des Kindes. Aus der Sicht des einzelnen Kindes ist es ein Unterschied, ob es von einem verschieden geschlechtlichem Paar erzogen wird oder von einem gleichgeschlechtlichen Paar. Die Geschlechter unterscheiden sich auch biologisch, z.B. riechen Männer anders als Frauen, haben verschiedene biologische Uhren usw., und es ist für Kinder besser, wenn sie beide Geschlechter in ihrer persönlichen Erziehung und Pflege erleben.
Die Erziehung und Pflege durch ein gleichgeschlechtliches Paar ist eine monogeschlechtliche Erziehung. Hier wird dem einzelnen Kind etwas genommen oder erst gar nicht erst ermöglicht, nämlich das es für sein späteres Leben Erfahrungen und Wissen von zwei verschiedenen Geschlechtern erleben und nutzen kann. Wenn ein Kind von einem verschieden geschlechtlichen Paar erzogen und gepflegt wird, dann hat es für sich umfangreichere Möglichkeiten, sich für sich selbst davon dasjenige zu übernehmen, was es für sich am besten findet.
Kinder, die von einem gleichgeschlechtlichen Paar erzogen werden, sind deshalb benachteiligt und diskriminiert gegenüber den anderen Kindern; ihnen fehlt die Hälfte der geschlechtlichen Erfahrungen.
Sie wollen mit Ihrem Vorhaben eine neue Minderheit erzeugen:
Nämlich die dann künftige neue Minderheit der monogeschlechtlich erzogenen Kinder.
Aus meinem Verständnis der Sache heraus müssten Sie eigentlich aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus das Erzeugen von neuen Minderheiten gar nicht erst zu lassen, und öffentlich gegen ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare auftreten.
Deshalb bitte ich Sie mir Ihre Haltung für Ihr persönliches Eintreten für ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare zu erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Mühlberger
Sehr geehrter Herr Mühlberger,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 31.3.2013.
Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften erzogen werden, haben dieselben Lebenschancen, wie Kinder, die in verschiedengeschlechtlichen Familien aufwachsen. Dieser Befund wird von zahlreichen wissenschaftlichen Studien gestützt. Die prominenteste deutschsprachige Studie wurde vom Bayrischen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg im Auftrag des Bundesjustizministeriums erstellt. Sie finden diese Studie unter folgendem Link: http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile
Sie scheinen auch zu verkennen, dass es selbstverständlich bereits heute zahlreiche Kinder gibt, die in Regenbogenfamilien aufwachsen. Somit wird durch das gemeinsame Adoptionsrecht keine „neue Minderheit geschaffen“, sondern die rechtliche Absicherung der Kinder, die in diesen Familien leben, sicher gestellt. Denn heute haben diese Kinder häufig nur ein Elternteil, dass ihnen gegenüber rechtlich verpflichtet ist, etwa bei Fragen des Unterhaltes oder bei Erbschaftsansprüchen. Gerade für die Kinder ist es wichtig, dass sie stabile rechtliche Beziehungen zu all ihren Eltern haben und nicht nur zu einem Elternteil (der das Kind z.B. geboren hat oder eben allein adoptiert hat). Auch für Kinder, die bereits heute zahlreich über Jahre hinweg bei gleichgeschlechtlichen Paaren in Pflege sind, wäre eine Adoptionsmöglichkeit im Einzelfall vielleicht die bessere Lösung.
Sie haben sicherlich auch in einem Punkt Recht: Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern machen vielleicht andere Erfahrungen als solche mit verschiedengeschlechtlichen Eltern. Das gilt auch für Kinder aus reichen und armen Familien, Kinder von Alleinerziehenden oder Kinder, die auf dem Land aufwachsen im Unterschied zu Kindern, die in der Stadt erzogen werden. Diese Unterschiedlichkeit ist aber kein Makel, sondern im Gegenteil eine Bereicherung unserer Gesellschaft. Der Staat soll keine pauschalen Urteile fällen, sondern muss das Kindeswohl im Auge haben und dafür sorgen, dass jedes Kind unabhängig von seinen Eltern die gleichen Startchancen im Leben erhält.
Im Fall der Adoption ist es deswegen völlig zu Recht so, dass die Jugendämter im jeweiligen Einzelfall entscheiden, welche Entscheidung im Sinne des Kindeswohles die beste für ein Kind ist. Die Aufhebung des Verbotes der gemeinschaftlichen Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare bedeutet lediglich, dass es für Kinder mehr Möglichkeiten gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Team Beck