Frage an Volker Beck von Heiko S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Beck,
Sie haben in der Presse geäußert, dass die Ansicht des Papstes, eine Ehe bestehe nur aus Mann und Frau, Homosexuelle diskriminiere.
Ich wollte Sie fragen, was Sie als Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, welche von 1998 bis 2005 Regierungsverantwortung hatten, unternommen haben,
- um die Diskriminierung zu beenden, dass nicht drei oder mehr Menschen eine gesetzliche Verpartnerung eingehen können. Muslime und Bisexuelle etwa, die eine Mehrfachehe eingehen wollen, werden dadurch diskriminiert. So lebt bspw. die Berliner Linken-Politikerin Franziska Brychcy in einer polyamoren Beziehung inklusive 4 Kinder (siehe "Zur Person" auf http://www.die-linke-berlin.de/index.php?id=20330 ). Sind solche Lebensentwürfe, welche auf Liebe und gegenseitiger Verantwortung basieren, aus Ihrer Sicht nicht gesetzlich schützenswert?
- um die Diskriminierung zu beenden, dass zwei erwachsene Brüder oder zwei erwachsene Schwestern, die untereinander keine Kinder bekommen können, sich nicht gesetzlich verpartnern dürfen. Sind solche Lebensentwürfe, die auf Liebe und gegenseitiger Verantwortung basieren, aus Ihrer Sicht nicht gesetzlich schützenswert?
Sollte sich der Staat aus Ihrer Sicht gegen Diskriminierungen aller Minderheiten einsetzen oder nur gegen diejenigen Diskriminierungen, bei denen jeweilige Minderheit groß genug ist?
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Schulze
Sehr geehrter Herr Schulze,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Grundsätzlich hat jeder Mensch die gleichen Bürger- und Menschenrechte. Dazu gehört in Deutschland auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die wiederrum die Gestaltung des eigenen Lebensentwurfes mit einschließt. In Deutschland gab es bis zur Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nur ein staatliches Institut für heterosexuelle Paare - die Ehe. Durch die rot-grüne Bundesregierung wurde mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft auch schwulen und lesbischen Paaren eine Möglichkeit gegeben, ihre Partnerschaft rechtlich anerkennen zu lassen und bestehende Diskriminierungen zu beseitigen. Während damals durch die Mehrheit von CDU/FDP im Bundesrat keine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe möglich war, sind wir vor allem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes heute weiter. Eine Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare, wie wir Grünen sie fordern, erscheint heute in greifbarer Nähe.
Diese Errungenschaften haben maßgeblich zum Abbau von Diskriminierung beigetragen. Studien zeigen zudem, dass die staatliche Anerkennung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften auch dazu beigetragen hat, Vorurteile gegenüber Homosexuellen abzubauen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft klargestellt, dass der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 des Grundgesetzes nicht heißt, dass es keine anderen Formen des staatlich anerkannten Zusammenlebens geben könne. Zu Recht verweisen Sie in Ihren Beispielen darauf, dass auch in anderen Konstellationen Werte wie Vertrauen, Liebe und gegenseitiges Einstehen gelebt werden können. Im Erbrecht wird diese Form der familiären Zusammenlebens - etwa beim Beispiel der Geschwister - bereits gewürdigt. Dies gilt zum Beispiel auch für das Zeugnisverweigerungsrecht und andere Fragen, die für Verwandte bereits geregelt sind. Für nicht miteinander Verwandte, die nicht in einer Paarbeziehung leben, gibt es diese Regelungen nicht. Im Moment gibt es bei der Grünen Bundestagsfraktion auch keine Pläne, ein neues Institut für das Zusammenleben von mehreren Erwachsenen zu schaffen. Uns ist auch nicht bekannt, dass die betreffenden Erwachsenen überhaupt eine Förderung durch den Staat wünschen. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, inwieweit die Konstellationen auf Dauer und auf gegenseitige Verantwortungsübernahme angelegt sind.
Allerdings sollten wir die Situation von Kindern in Mehreltern-Konstellationen genauer betrachten. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Patchwork- und Regenbogenfamilien notwendig, wo die Kinder mehr als zwei Elternteile als Erziehungs- und Bezugspersonen haben. Ich meine, dass die Kinder ein Anrecht auf den Schutz dieser Beziehungen haben. Dabei geht es um die rechtliche Absicherung, aber auch um Fragen von Unterhalts- und Erbschaftsrecht für die Kinder. Die Grüne Bundestagsfraktion erarbeitet im Moment ein Konzept, wie soziale Eltern-Kind-Beziehungen besser geschützt und rechtlich abgesichert werden können.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck