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Vasco Schultz
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Frage von Davin B. •

Frage an Vasco Schultz von Davin B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Schultz,

einige Fragen an Sie:

1. Gerade im Angesicht der europäischen Integration, sehen Sie das Prinzip Nationalstaat auch als zukünftig gültig an, oder wären Sie eher für einen europäischen Bundesstaat?

2. Wie sehen Sie die Zukunft der Integration von Einwanderern? Mehr und mehr Stimmen werden laut, die diese Integration, wie sie jetzt vonstatten geht (bzw. nicht vonstatten geht) als gescheitert ansehen. Würden Sie dem bisherigen Weg folgen, und wenn nein, was würden Sie ändern, um die Bildung von Parallelgesellschaften, die sich mitunter im vollen Gange befindet, und auch die zunehmende Gefahr des islamischen Extremismus abzuwenden?

3. Was wollen Sie tun, um dem Demographieproblem entgegenzuwirken bzw. wollen Sie ihm entgegenwirken? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß deutsche Frauen wieder mehr Kinder bekommen (können)?

4. Braucht Deutschland noch mehr Zuwanderung oder ist die "Schmerzensgrenze" bereits überschritten (in einigen Gegenden stellen Zuwanderer mittlerweile die Mehrheit)?

Mit freundlichen Grüßen!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bußmann,
Vielen Dank für ihre Fragen.

1. Ich persönlich halte von nationalstaatlicher Kleinstaaterei überhaupt nichts. Ich empfinde mich analog zu Lessing zu aller erst als Mensch,dann als Europäer, dann irgendwann als Deutscher und Hamburger. Von daher bin ich für eine größt mögliche Integration Deutschlands in ein föderales europäisches Staatssystem ähnlich den USA. Visionär wünschenswert sicherlich ein weltweites föderales Staatenbündnis. Das verhindert Kriege und Auseinandersetzung und macht Armeen überflüssig.

2. Das grundsätzliche Problem ist, dass Deutschland viel zu spät damit angefangen hat, überhaupt aktiv Integration zu betreiben. Noch immer sind deutsche mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich repräsentiert in den eher schlecht bezahlten Berufen und völlig unterrepräsentiert in den gut bezahlten und hochqualifizierten Berufen. Auch die Qualifikation von Einwanderern egal in welcher Generation ist ein Problem - aber eher ein Grundproblem des deutschen Schulwesens. Denn kaum sonstwo auf der Welt sind die Bildungschancen der Kinder so abhängig von denen der Eltern wie in Deutschland. Da vor allem niedrig qualifizierte Menschen nach Deutschland einwandern oder bereits eingewandert sind, ist Deutschland da denkbar schlecht aufgestellt. Allerdings kann die Lösung nicht sein, die "Grenzen dicht zu machen". Denn wenn man sich das Problem einmal an der Wurzel anschaut, dann sind wir als Deutsche für die Ursachen der weltweiten Völkerwanderung maßgeblich mitverantwortlich! Der ungerechte Welthandel, die Ausbeutung der dritten Welt und der Schwellenländer auch durch deutsche Konzerne und die Regierung sorgt natürlich dafür, dass die Menschen ihre Heimat verlassen. Als Beispiele könnte man die Agrarsubventionen nennen, die einzig das Ziel haben, überteuerte deutsche Agrarprodukte auf dem Welthandel Konkurrenz zu machen oder der Export von Waffen in Krisengebiete. Hier sind auch deutsche Firmen beteiligt. Oder gucken wir einfach einmal auf unsere deutschen Friedhöfe: Viele der Grabsteine kommen aus Ländern, wo die Steine von Kindern (deren Lebenserwartung bei 30 Jahren liegt) aus dem Fels geschlagen werden. Weitere Beispiele gibt es zu Hauf.
Die Lösung liegt also zum Einen darin, weltweite soziale (und ökologische) Standards einzuführen. Zum Anderen muss aber auch die (teilweise gescheiterte) Integration der Menschen, die bereits hier sind (Deutsche mit Migrationshintergrund und solche ohne deutschen Pass) voran getrieben werden. Hier muss von beiden Seiten auf einander zu gegangen werden: Ich erwarte von jedem, der in Deutschland wohnt, das er die Verfassung und die Gesetze achtet. Bei Zuwiderhandlung (Ehrenmorde etc.) muss hart durchgegriffen werden. Hilfeich hierbei wäre es sicherlich, wenn wir bereits mehr Migranten im Polizeidienst hätten. Darüber hinaus gibt es sicherlich auch andere, nicht schriftlich fixierte Normen, die zu achten sind. All dies muss diskutiert und einmal zusammen gefasst werden. Ob der Begriff der deutschen "Leitkultur" nun der Richtige ist, wage ich zu bezweifelt. Aber im Kern geht es auf verbindliche Spielregeln des
Zusammenlebens.
Auf der anderen Seite verlange ich aber auch von der "einheimischen" deutschen Gesellschaft die nötige Toleranz, das Anderssein und die kulturellen Eigenheiten des jeweiligen Gegenübers zu akzeptieren oder sogar als Chance zu begreifen. Ich empfinde Deutschland tweilweise als ein ziemlich vermieftes und strukturkonservatives Land, dem einen größere Offenheit gegenüber Neuem durchaus gut täte.
Parallelgesellschaften entwickeln sich, weil sich Menschen abschotten. Der Grund dafür kann aber sowohl eine gewollte als auch eine von außen aufgezwungene Abschottung sein. Wer sich in Deutschland integrieren will, der muss auch mit offenen Armen aufgenommen werden. Wenn es dieses Klima nicht gibt, dann ergeben sich selbstverständlich Parallelgesellschaften. Auch dem islamistischen Terror kann man meiner Ansicht nach nur den Boden entziehen, wenn man ihm das Wasser abgräbt. Indem man nämlich den Menschen in den Ländern, wo die Selbstmordattentäter rekrutiert werden, eine andere Perspektive gibt als sich selbst in die Luft zu sprengen.

3. Ich persönlich werde dem Demographieproblem entgegen wirken, indem ich mindestens 3 Kinder möchte... Bei allen anderen ist das eher eine private Angelegenheit. Der Grund, warum "Deutsche" eher weniger Kinder kriegen oder wie man so schön sagt "aussterben" ist glaube ich eher ein kultureller, gesellschaftspolitischer. Natürlich ist es für Frauen in Deutschland besonders schwierig, Beruf und Familie zu verbinden. Allerdings werden in Deutschland Kinder leider vielfach nicht als Bereicherung des Lebens sondern als Last gesehen. In Hamburg haben bereits mehrfach Anwohner erfolgreich die Einrichtung von Kindergärten verhindert. Sie beklagten die Lärmbelastung. So lange sich hier gesellschaftlich nichts verändert, werden auch die - notwendigen - politischen Veränderungen wie beispielsweise genügen und kostenlose Kindergartenplätze nicht die durchschlagende Wirkung entfalten.

4. Teilweise habe ich ja bereits in Punkt 1 auf diese Frage geantwortet: Zuwanderung kann eine Bereicherung der Gesellschaft sein, so lange die Zuwanderer so akzeptiert werden wie sie sind und die Zuwanderer gewisse Grundregeln achten, die zu unserem Land gehören.Unterscheiden muss man auch zwischen der Zuwanderung und Asylbewerbern.
Letzeres darf aus menschlicher Sicht niemals aufgeweicht werden. Diese Menschlichkeit gehört aus meiner Sicht nämlich auch zu unserem Grundwerte-Kanon. Die Ausländerbehörden übertreffen sich teilweise leider bei der Behandlung von Asylbewerbern an Unmenschlichkeit. Was die Zuwanderung betrifft, so geht es hier ja vielfach um hochqualifizierte Menschen, die dem deutschen Staat nicht nur nicht zur Last fallen, sondern durch ihre Qualifikation deutsche Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Denn dank unseres schlechten deutschen Bildungssystems haben wir einfach nicht genügend Abiturienten und damit natürlich auch zu wenig Hochschulabsolventen.
Übrigens stellt sich auch die Frage, wie Deutschland langfristig überleben kann. Da eben die "einheimischen" Deutschen aus vielerlei Gründen, die nicht so von heute auf Morgen verändert werden können, im Reproduktionsstreik stehen, kann Deutschland nur durch Zuwanderung überhaupt seine Bevölkerung halten.

Grüße,
Vasco Schultz