Frage an Valerie Wilms von Sybille J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Dr. Wilms,
ich würde gerne wissen, wie Sie persönlich und wie die Grünen zu dem Antrag Palästinas, Vollmitmitglied der UNO zu werden, stehen.
Aus meiner Sicht ist es unerträglich, dass die Bundesregierung diesen Antrag nicht unterstützen will. In der Balfour-Deklaration steht: Es soll dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte“.
Das ist zwar einige Kriege in der Region und viele diplomatische Bemühungen her, aber es gilt doch immer noch der Grundsatz, dass ein Volk ein anderes nicht vertreiben sollte - wieso das gerade die (wohl eher konservativen) Israelis nicht akzeptieren wollen, kann ich trotz großem Verständnis für die Geschichte der Juden nicht verstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Sybille Jester
Sehr geehrte Frau Jester,
ich begrüße grundsätzlich eine Mitgliedschaft Palästinas als 194. Mitglied der Vereinten Nationen. Allerdings haben die USA bereits deutlich gemacht, dass sie dies notfalls mit einem Veto ablehnen würden. Obwohl ich eine baldige palästinensische Staatswerdung unterstütze, finde ich diese Konfrontation mit den USA kontraproduktiv. Es müssen sich deswegen alle an einer konstruktiven Lösung beteiligen. Mit der Blockade in den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen und dem fortgesetzten illegalen Siedlungsbau in der Westbank und in Ost-Jerusalem verbaut sich die israelische Regierung zunehmend die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung, wie sie von der internationalen Gemeinschaft zur Lösung des Konfliktes angestrebt wird.
Auch die Bundesregierung muss dringend ihre einseitige Vorfestlegung auf eine Ablehnung des palästinensischen Anliegens aufgeben und sich konstruktiv mit den europäischen Partnern auf eine gemeinsame EU-Position verständigen. Ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem palästinensischen Staat könnte die Aufwertung Palästinas als sogenannter beobachtender Nicht-Mitgliedsstaat sein. Eine solche Aufwertung würde das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat unterstreichen und damit das international anerkannte Konzept der Zwei-Staaten-Regelung stärken. Gleichzeitig würde das keine Delegitimierung Israels bedeuten, denn durch die Anerkennung eines palästinensischen Staates an der Seite von Israel wird der Staat Israel und sein Existenzrecht bekräftigt.
Die EU sollte sich gemeinsam für eine solche Statuserhöhung als Nicht-Mitgliedstaat einsetzen. Vor allem die Bundesregierung darf eine gemeinsame EU Positionierung nicht weiter blockieren und muss umgehend den europäischen Partnern signalisieren, dass sie bereit wäre, einem solchen Kompromiss zuzustimmen. Nur wenn die europäischen Staaten endlich mit einer Stimme sprechen, könnte es vielleicht noch gelingen, eine Konfrontation im Sicherheitsrat zu vermeiden. Europa hat hier die große Chance, eine vermittelnde Rolle zwischen den Konfliktparteien und den USA einzunehmen, die am Ende zu neuen Verhandlungen führen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Valerie Wilms