Frage an Uwe Kekeritz von Uwe G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kekeritz,
Ich komme mir vor wie eine Weihnachtsgans. Während alle aus der EU rausholen was sie kriegen können, lassen wir (deutsche Steuerzahler und Bürger) uns ausnehmen wo es nur geht. Und unsere Politiker sehen nur zu und machen gute Miene zum bösen Spiel.
Zuerst päppeln wir alle, insbesondere die Iren, auf, lassen uns vorhalten was für eine tolle, zukunftsfähige Wirtschaft, niedrige Steuersätze und Wachstumsraten sie haben und nun dürfen wir sie entschulden. Das wo wir selbst kein Geld haben (1,7 Billionen EUR Staatsschulden!).
Zuvor retten wir französische Banken ( http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,697511,00.html, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,697489,00.html ) und lassen uns durch Frankreich ausspielen wo es nur geht.
Jeder kann unsere Unternehmen, die besser aufgestellt sind, als die übernehmenden Firmen (z. B. http://www.wsws.org/de/2004/feb2004/sano-f04.shtml oder jetzt Hochtief) kaufen, ohne dass diese sich wehren können, wie dies offensichtlich in anderen EU-Ländern, z. B. Spanien und Frankreich möglich ist ( http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,475317,00.html ).
Und was machen unsere Politiker?
"Für Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ist das freie Marktwirtschaft. Man kann es aber auch anders sehen: als Perversion der Marktwirtschaft. Belohnt wird nicht der Tüchtige, der erfolgreich gewirtschaftet hat, sondern der Trickreiche, der die laschen deutschen Gesetze nutzt, um seinen Konkurrenten zu einem Spottpreis zu übernehmen." ( http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-74735305.html )
Mein Mitgefühl geht an die Hochtiefmitarbeiter und uns deutsche Bürger.
Was tun Sie um auch die Interessen der deutschen Bürger und Steurzahler zu schützen und weshalb setzen Sie sich nicht dafür ein die Übernahmeregeln denen anderer EU-Länder anzupassen!?
Uwe Geißendörfer
Sehr geehrter Herr Geißendörfer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie zielen generell auf die Vor- und Nachteile, die Deutschland aus seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union zieht, ab. Außerdem auf die - nach Ihrer Meinung und der des Spiegel - zu "laschen" Gesetzgebung in Bezug auf Übernahmen.
Zum einen gilt es zu beachten, dass Deutschland schon seit Ende des zweiten Weltkrieges eine auf Export hin orientierte Wirtschaft hatte. Über das Für und Wider einer zu stark exportgetriebenen Wirtschaft zu Lasten der Binnennachfrage wird derzeit eine hitzige öffentliche Debatte geführt. Als Volkswirt ist mir jedoch klar, dass mittelfristig ein Leistungsbilanzüberschuss nicht zu halten sein wird. Dennoch besteht Handel aus Geben und Nehmen. Der Großteil unseres Handels im Im- wie im Export geschieht mit EU-Mitgliedern. Der gemeinsame Rechts-, Wirtschafts- und Währungsraum ist Garant für die dadurch eröffneten Möglichkeiten und Chancen. Diese eher allgemeine Betrachtung ist nach meiner Auffassung korrekt, kann jedoch einzelne Detailfragen nicht erfassen. In Toto sind die deutschen Erträge - nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich größer als die Aufwendungen. Unser Erfolg basiert auf den hohen Exporten, die zu 70 % in die EU gehen.
Die Kredite - zunächst sind es solche und keine Transfers oder Entschuldungen - an EU-Partner wie Irland oder Griechenland nutzen zuerst und alleine den großen europäischen Banken. Dazu zählen auch deutsche Kreditinstitute, die den Finanzministern Kredite gewährt haben. Insofern "rettet" Deutschland zu einem Stück weit auch sich selbst. Zu recht weisen sie jedoch darauf hin, dass Irland lange als Musterknabe gepriesen nun zum Negativbeispiel avanciert. Deshalb ist die Kritik an den sehr niedrigen Unternehmenssteuern dort gerechtfertigt. Ziel muss es sein, die Steuerpolitiken innerhalb der EU möglichst schnell anzugleichen, um unfaires Steuerdumping zu beenden.
Abschließend noch zu der Übernahmeschlacht um Hochtief.
Generell ist und muss es den Eigentümern vorbehalten bleiben, was sie mit ihrem Eigentum tun und lassen. So also auch den Aktionären von Unternehmen. An Grenzen stößt dies, wenn und soweit nationale Interessen betroffen sind. Es nützt aber wenig, Unternehmen die mehrheitlich in deutschem Besitz sind, vor Übernahmen zu schützen und sie so langfristig weniger innovativ und damit weniger wettbewerbsfähig zu machen, wie dies bspw. in Frankreich zum Teil der Fall ist - wie auch der Spiegel-Artikel ausführt.
Insgesamt gilt aber folgendes: Die Sachlage muss genau analysiert werden. Dies macht im Moment die EU-Kommission und legt dazu einen detaillierten Fortschrittsbericht über die gesetzlichen Grundlagen und die Umsetzung einer entsprechenden Richtlinie der EU-Mitglieder vor. Danach und damit auf entsprechender Grundlage kann und wird eine Entscheidung getroffen werden können, ob und wie Reformen aussehen können. Schnellschüsse oder eine "Lex Hochtief" sind nicht zielführend.
Zudem kommt die EU-Kommission in ihrem Fortschrittsbericht zu dem Ergebnis, dass Deutschland im europäischen Vergleich keinesfalls zu lax reguliert. Ebenso wie in Slowenien, Irland, Zypern und Belgien erfolgt nach deutschem Recht das Pflichtangebot deutlich früher als in allen anderen Mitgliedstaaten, bei denen ein Angebot erst bei 40, 50 oder 60 Prozent greift. Da in Deutschland nicht die strikte Neutrality Rule der Übernahmerichtlinie eingeführt wurde, lässt sich sogar festhalten, dass Deutschland dem Vorstand und dem Aufsichtsrat eines Zielunternehmens mehr Möglichkeiten zur Abwehr eines Angebots bietet, als das in anderen Mitgliedstaaten der Fall ist.
Mit besten Grüßen
Uwe Kekeritz