Frage an Utz Mörbe von Stephan R. bezüglich Wirtschaft
Wie könnte ihrer Meinung nach der Umbau der Automobilindustrie aussehen?
Sehr geehrter Herr Reh,
Mobilität – vom Autoland zur neuen Mobilitätskultur. Mobilität ist Bewegungsfreiheit und Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Doch während die neue Klimaschutzbewegung fragt,wie wir Verkehr emissionsarm und nachhaltig gestalten können, wird dem Auto steuerlich, planerisch und verkehrsrechtlich noch immer Vorrang vor anderen Verkehrsmitteln gewährt. Außerdem zwingen Wirtschaft und Jobcenter den Betroffenen immer längere Pendelwegezur Arbeit auf. Die rasant steigenden Mieten in den Ballungsräumen drängen die Menschen aus der Stadt und verursachen so weitere Pendelverkehre – insbesondere für Menschen mit kleinen Einkommen.Um unnötigen Verkehr zu begrenzen, setzen wir uns als LINKE für einen Ansatz der kurzen Wege ein: Arbeit, Bildung, Wohnen und Freizeit sollen an einen Ort. Leider beobachten wir das Gegenteil.Immer mehr Einrichtungen zentrieren sich in den Städten, Schulen werden verlagert, kleine Nahversorger durch große Discounter verdrängt. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Baden-Württemberg stagniert seit Jahren, und wer auf dem Land lebt,kommt um das Auto gar nicht herum. Die letzten beiden grün-geführten Landesregierungen haben daran nichts geändert. Wir brauchen eine neue Mobilitätskultur. Für uns ist das Rückgrat einer neuen Mobilitätskultur der vernetzte Umweltverbund – zu Fuß, per Rad,mit Carsharing, mit Bus und Bahn und das alles natürlich barrierefrei. Der barrierefreie Ausbau der Haltestellen hinkt seit Jahren hinterher, das muss sich endlich ändern. Statt öder Asphaltwüste wollen wir mehr Grün in der Stadt durch städtische und regionale Umweltzonen. 90 Prozent der innerörtlichen Wege sollen bis 2035 im Umweltverbund zurückgelegt werden – das ist unser Ziel! Im ländlichen Raum setzen wir dafür auf ein Netz von Radschnellwegen, Sharing-Angeboten und wohnortnahe, digitalisierte Mobilitätsangebote in öffentlicher Hand. Ruf- und Bürger*inbusse und Anrufsammeltaxen sollen ausgebaut werden, um in den weniger wirtschaftlichen Bereichen die Lücken zu schließen. Außerdem wollen wir den Nachtverkehr ausbauen, denn auch nachts muss man von der Party oder bei Schichtende sicher nach Hause kommen. Innovationen in der urbanen Mobilität wollen wir in Hinsicht auf die Gesamtökobilanz prüfen. E-Scooter verschrotten zum Beispiel schnell und sind unter Klimaschutzaspekten fragwürdig. So schaffen wir eine sozial-ökologische Transformation hin zu einer neuen Mobilitätskultur.
Die Autoindustrie soll dabei gemeinsam mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften sozial verträglich umgebaut werden.Hier wurden in den letzten Jahren wichtige Entwicklungen verpasst.Dennoch ist klar, dass es für die Beschäftigten klare Perspektiven geben muss. Die Autoindustrie muss sich Schritt für Schritt stärker engagieren in der Herstellung von Fortbewegungsmitteln, die für diesen öffentlichen Verkehr in höherem Maße notwendig sind,statt nur auf den Individualverkehr zu setzen.
.Nahverkehr zum Nulltarif Mobilität muss allen möglich sein. Wir fordern daher einen Nahverkehr zum Nulltarif für alle Menschen und wollen im nächsten Landtag dafür die rechtlichen Weichen stellen.Kurzfristig fordern wir die Einführung eines landesweiten Sozialtickets, wie es die Kommunalfraktionen der LINKEN schon in vielen Orten durchgesetzt haben. Verkehrsverbünde, die ein Sozialticket anbieten, sollen vom Land einen Zuschuss erhalten.
DIE LINKE fordert:
•Mobilität für alle: Unser Ziel ist die Einführung eines kostenfreien Nahverkehrs für alle Menschen und der Ausbau des ÖPNV gerade auch in der Fläche.
•Eine bessere Taktung im gesamten ÖPNV Netz.
•Den Ausbau des Radwegenetzes und Vorrang für Rad und Fußgänger*innenin allen Städten und Gemeinden. Die kostenlose Fahrradmitnahme in Bus und Bahn.
•Die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken und Bahnhöfe.
•Straßen zu erhalten statt neu zu bauen.
•Eine Mobilitätskarte und -App für Baden Württemberg, um Bus, Bahn,CarSharing, Fahrradverleih und Taxi für die Menschen besser zu vernetzen.
•Einen Fluglärmaktionsplan und ein striktes Nachtflugverbot. Die Kapazitäten in Stuttgart dürfen nicht weiter ausgebaut werden.Regionale Flughäfen wollen wir abbauen.
•Den Güterverkehr wollen wir weitestgehend auf die Schiene verlagern.
•Der Schiffsverkehr, zum Beispiel auf dem Neckar und dem Rhein, muss ökologisch und nachhaltig strukturiert werden.
•Mobilität muss barrierefrei sein – auch an den Haltestellen.
Zu diesem Thema empfehle ich das Buch „System change“ von Bernd Riexinger, der in Leonberg geboren, in Weil der Stadt aufgewachsen ist und als ver.di-Geschäftsführer des Bezirks Stuttgart auch für den Kreis Böblingen zuständig war. Derzeit ist er Bundesvorsitzender der Partei DIE LINKE und MdB. Eine Buchlesung mit Bernd Riexinger, die von mir moderiert wurde findet man unterhttps://www.youtube.com/watch?v=Q-5N_tKDPfI
Mit freundlichen Grüßen
Utz Mörbe