Frage an Ute Bertram von Reinharrd B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Das Streikrecht ist bekanntermaßen ein wichtiges Grundrecht. Allerdings wurde dieses Recht in den letzten Jahren zunehmend - insbesondere von kleineren Spartengewerkschaften - ohne Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl missbraucht.
Insbesondere die GDL - in Gestalt eines Herren G. demonstriert hier in besonders rücksichtsloser Weise, wie es einer sehr kleinen Gruppe gelingt, eine ganze Gesellschaft in den Würgegriff zu nehmen. Wer erstattet eigentlich den entstandenen volkswirtschaftlichen Schaden? Wie steht der Dachverband, der DBB, zu dieser Spartengewerkschaft und was gedenken Sie als Abgeordnete gegen den Missbrauch zu unternehmen. Schon jetzt ist Deutschland zum Streikland verkommen. Insbesondere, wer als Reisender auf öffentl. Verkehrsmittel, sei es Flugzeug oder Bahn angewiesen ist, findet kaum noch streikfreie Zeiten. Wird die CDU zum Wohle des Wählervolkes hier schnell eine Rechtslage schaffen, die diesen Missbrauch wirksam verhindert?
Sehr geehrter Herr Brunke,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 18. Mai, die ich gern beantworte:
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip gesetzlich festzuschreiben. Der Koalitions- und Tarifpluralismus soll in geordnete Bahnen gelenkt werden. Dabei sollen die verfassungsmäßigen Rechte der kleinen Gewerkschaften gewahrt bleiben. Der Bundestag hat am 22. Mai 2015 das Gesetz zur Tarifeinheit verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, eine Regelung der Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip vorzunehmen. Für den Fall, dass sich mehrere Tarifverträge zeitlich, räumlich, fachlich und persönlich im Betrieb überschneiden, gilt nur der Tarifvertrag mit den meisten Mitgliedern im Betrieb.
Aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie halte ich dieses Gesetz für notwendig. Nun werden Tarifkollisionen in Betrieben künftig aufgelöst, ohne das Arbeitskampfrecht zu beeinträchtigen. Über die Recht- und Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen, mit denen ein kollidierender Tarifvertrag erkämpft werden soll, wird weiterhin im Einzelfall von den Arbeitsgerichten zu entscheiden sein.
Unangetastet bleibt das Recht der Gewerkschaften, ihre jeweiligen Zuständigkeiten abzustimmen. Dies können sie beispielsweise durch Bildung einer Tarifgemeinschaft oder durch Absprachen untereinander erreichen. Auch gewerkschaftsinterne Schlichtungsverfahren bleiben weiter bestehen.
Die Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb besitzt mit ihrem Tarifvertrag die größte Akzeptanz im Betrieb. Durch die Schaffung von Verfahrensrechten wird den Belangen der Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft Rechnung getragen. Diese erhalten gegenüber der verhandelnden Arbeitgeberseite ein Anhörungsrecht. Zudem sind sie künftig berechtigt, den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft nachzuzeichnen. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass das hohe Gut des Betriebsfriedens und der Koalitionsfreiheit hier in einem Konflikt stehen. Der Betriebsfrieden hat uns in Deutschland eine jahrzehntelange und vorbildlich funktionierende Sozialpartnerschaft gebracht. Der Wert einer funktionierenden Sozialpartnerschaft ist ein Markenzeichen in Deutschland, um das uns die ganze Welt beneidet. Tarifkonkurrenz von Branchen- und Spartengewerkschaften könnten sich aufschaukeln. Dies kann zu einem Überbietungswettbewerb führen, indem der Betrieb nicht mehr zur Ruhe kommt. Die Tarifkonflikte in den vergangenen Monate mögen hier als Bespiele dienen. Außerdem kann eine betriebliche Lohnpolitik nicht funktionieren, wo nur die einzelnen Machtpositionen von Berufsgruppen honoriert werden und eine Vielzahl von Interessenkonflikten in den Betrieb hineingetragen werden.
Allerdings ist hinzuzufügen, dass die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz ein starkes Grundrecht ist. Jeder und jede Berufsgruppe hat das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Diese haben das Recht, Tarifverträge für ihre Mitglieder zu schließen und zu erkämpfen. Wir haben bewusst daher im Gesetzentwurf das Arbeitskampfrecht nicht geregelt. Wir haben nur eine Regelung vorgesehen, wie im Falle des Bestehens von mehreren miteinander konkurrierenden Tarifverträgen im Betrieb Lösungen gefunden werden. Das Zustandekommen und der Abschluss von Tarifverträgen werden nicht berührt.
Wir werden per Gesetz nicht alle Probleme lösen können. Es wird auch weiter Streiks der Lokführer und Piloten geben. Aber ich habe nach wie vor den Eindruck, dass die Gewerkschaften in Deutschland verantwortungsvoll mit dem Streikrecht umgehen. Die Streiktage in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und den USA sehr gering.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Bertram MdB