Frage an Ursula von der Leyen von Jenny W. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau von der Leyen,
mich interessieren Ihre Bestrebungen, das Elterngeld der Realität in deutschen Familien mit mehr als einem Kind anzupassen. Durch die Knüpfung des Elterngeldes an das Nettoeinkommen sind aus meiner Sicht diejenigen Familien stark benachteiligt, in denen ein Elternteil (in der Regel die Mutter) aufgrund eines älteren Kindes in Teilzeit arbeitet. Der Geschwisterbonus wird nur bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Geschwisterkindes gewährt, jedoch besteht allein aufgrund des mangelhaften Betreuungsangebots in der Regel die Notwendigkeit, auch über dieses Alter hinaus die Arbeit auf eine Teilzeitstelle zu reduzieren.
Ein vereinfachtes Beispiel: Beträgt das Bruttoeinkommen der Mutter vor der Geburt des ersten Kindes 3.500 EUR, bezieht sie ca. 2.050 EUR netto und damit nach der Geburt etwa 1.300 EUR Elterngeld. Geht sie nach der Elternzeit halbtags arbeiten, erhält sie noch 1.200 EUR netto und nach der Geburt eines zweiten Kindes beträgt das Elterngeld nur noch 750 EUR (wenn das erste Kind bereits älter als 3 Jahre ist). (Tatsächlich fällt das zweite Elterngeld unter Umständen noch niedriger aus, da bei einem Ehepaar die Frau in Halbtagsarbeit sicher Steuerklasse V wählt; das Elterngeld liegt in diesem Falle bei etwas über 600 EUR.)
Fazit: Innerhalb weniger Jahre hat sich das Einkommen der Frau auf etwa ein Drittel reduziert, obwohl die Familie nun um zwei Kinder reicher ist und wahrscheinlich auch Betreuungskosten für das ältere Kind anfallen.
Daher meine Frage:
Welche Maßnahmen planen Sie in welchem Zeitrahmen, um Familien mit mehr als einem Kind finanziell noch stärker zu unterstützen und um zu verhindern, dass die Ein-Kind-Familie das Modell der Zukunft wird?
Herzlichen Dank und freundliche Grüße
Jenny Walther
Sehr geehrte Frau Walther,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an unseren familienpolitischen Konzepten zur Verbesserung des Elterngeld für Mehrkindfamilien. Erlauben Sie mir, zunächst kurz die Zielsetzung des Geschwisterbonus zu erläutern, bevor ich dann später auf unsere Planungen zum Teilelterngeld eingehe.
Der Geschwisterbonus soll gerade der besonderen Situation von Mehrkindfamilien gerecht werden. Er trägt dem von Ihnen angesprochenen Umstand Rechnung, dass Elternteile, insbesondere Mütter, die bereits ein Kind oder mehrere Kinder haben, nach deren Geburt vielfach Einkommenseinschränkungen hinnehmen müssen. Mit dem Einkommen sinkt dann auch das Elterngeld, das bezogen werden kann. In diesen Fällen die Geschwisterbonusregelung gewährt einen Zuschlag zu dem Elterngeld, das sonst bezogen werden könnte. Das nach den allgemeinen Regeln zustehende Elterngeld (auch der Mindestbetrag von 300 Euro) wird um 10 Prozent, mindestens aber um 75 Euro im Monat erhöht. Bei zwei Kindern im Haushalt besteht der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag so lange, bis das ältere Geschwisterkind drei Jahre alt ist. Bei drei und mehr Kindern im Haushalt genügt es, wenn mindestens zwei der älteren Geschwisterkinder das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Die von Ihnen aufgeworfene Frage betrifft aber gerade Mehrkindfamilien, die keinen Anspruch auf den Geschwisterbonus haben. Bei der Sicherung des wirtschaftlichen Auskommens dürfte es vielen dieser Familien zugute kommen, dass für Kinder ab dem dritten Lebensjahr ein gesetzlicher Anspruch auf einen Betreuungsplatz besteht. Wir gehen davon aus, dass dies die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert und den meisten, die dies wollen, einen Wiedereinstieg in den Beruf ermöglicht. Ich stimme Ihnen allerdings zu, dass die Kinderbetreuungsangebote noch ausgebaut werden müssen.
Mit dem Erreichten wollen wir uns jedoch nicht zufrieden geben. So planen wir die Möglichkeit einer flexiblen Vereinbarkeitsplanung gerade für Eltern zu erweitern, die auf Teilzeitbasis früh wieder in ihren Beruf einsteigen wollen. Nach dem geplanten Konzept für ein Teilelterngeld soll Elterngeld nicht nur in 14 vollen Monatsbeträgen in Anspruch genommen werden können, sondern auch jeweils in zwei halben Monatsbeträgen genutzt werden können. Wer heute Probleme sieht, sich ganz der Betreuung zu widmen und die Erwerbstätigkeit auszusetzen, der hat nun die Möglichkeit gemeinsam mit dem Partner - als Alleinerziehende auch allein - bis zu 28 Monate insgesamt in Teilzeit zu arbeiten und die Betreuung partnerschaftlich gleichzeitig oder nacheinander zu organisieren. Mit dem Teilelterngeld gibt es maximale Flexibilität und Wahlfreiheit.
Die Umsetzung einer solchen Regelung würde nicht nur den Eltern, sondern auch den Betrieben zugute kommen: Für Betriebe, die ihre Mitarbeiter halten wollen, ist das Elterngeld in Teilzeit ein Vorteil. Es schafft Einkommenssicherheit für die Beschäftigten, denn es ergänzt ein Teilzeitentgelt, und es schafft damit finanzielle Spielräume für die Betriebe. Unternehmen gewinnen Zeit und können auf Entlassungen verzichten.
Zur näheren Erläuterung:
Nach dem Konzept des Teilelterngeldes können Eltern auf Wunsch nur einen halben Anspruch verbrauchen, wenn sie mit oder ohne Teilzeit nur höchstens die Hälfte ihres maximalen Elterngeldes beziehen, das ihnen ohne Erwerbseinkommen zustünde. Die zweite Hälfte kann in einem weiteren Monat in Anspruch genommen werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen während der gesamten Zeit erfüllt sein.
Der Unterschied von Teilelterngeld und bisheriger Verlängerungsoption liegt darin, dass es nicht mehr um die Halbierung der Zahlung im doppelten Zeitraum geht, sondern um einen monatlichen Teilanspruch auf Ersatz des wegfallenden Einkommens in Teilzeit, der auf die Hälfte des Elterngeldes ohne Einkommen begrenzt ist.
Nun müssen die Planungen noch umgesetzt werden. Wir versuchen das, so zügig wie möglich zu machen. Sollte uns dies gelingen, hoffe ich, dass diese Regelung auch in Ihren Augen Familien mit mehreren Kindern - vielleicht sogar Ihnen selber - weiterhilft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ursula von der Leyen