Frage an Ursula von der Leyen von Uta M. bezüglich Familie
Hallo Frau von der Leyen,
ich bin allein erziehende Mutter von Zwillingen 6 Jahre. Ich gehe 80% arbeiten und verdiene meinen Unterhalt selbst. Für meine Kinder habe ich vom Vater noch nie einen Cent Unterhalt erhalten. Das Jugendamt bezahlt nach dem Unterhaltvorschussgesetz für meine Kinder. Nächstes Jahr im Mai läuft diese Leistung aus. Meine Kinder sind dann erst 7 Jahre alt. Das Gesetz sieht eine Leistung längstens 72 Monate höchsten bis zum 12. Lebensjahr vor. Künftige Unterhaltsleistungen vom Vater habe ich nicht zu erwarten. Warum wird das Gesetz nicht auf das Lebenalter von 12 Jahren für alle erweitert? Ab diesem Zeitpunkt sind Kinder in der Lage sich auch alleine zu versorgen und ich könnte dann auch Vollzeit arbeiten. Wieso wird einem mit solchen Gesetzen die ausschließlich dem Wohl der Kinder dienen sollen das Wasser abgegraben? Dies bedeutet für mich monatlich 316,- € weniger in der Haushaltskasse. Was meinen Sie ist das sozial? Denken Sie bitte auch vor der Wahl an die Randgruppe der Alleinerziehenden.
Freundliche Grüße
Uta Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
ich kann gut verstehen, dass Sie sich um die Zukunft und die Ihrer Kinder sorgen.
Wie Sie vielleicht wissen, ist mittlerweile fast jede fünfte Familie in Deutschland alleinerziehend. Damit ist allein Erziehen keine Randerscheinung. Alleinerziehende verfügen über wichtige Potenziale, die allermeisten von ihnen streben nach wirtschaftlicher Selbständigkeit und guten Chancen für ihre Kinder. Die eigene Berufstätigkeit ist für Alleinerziehende von großer Bedeutung.
Alleinerziehende Mütter und Väter sind in einer besonderen Lebenslage und benötigen daher häufig spezifische Unterstützung. Die nachhaltige Familienpolitik der Bundesregierung berücksichtigt mit einem Dreiklang der Maßnahmen aus Infrastruktur, Geld und Zeit diese besonderen Bedürfnisse in vielerlei Hinsicht. Für Alleinerziehende sind viele der neuen Maßnahmen besonders vorteilhaft:
Eine gute und verlässliche Kinderbetreuung ist gerade für Alleinerziehende wichtig und notwendig, damit sie Familie und Beruf vereinbaren können. Mit der Initiative des Bundes, seiner finanziellen Unterstützung und dem Kinderförderungsgesetz hat der bedarfsgerechte Ausbau der Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige bereits erfolgreich begonnen.
Das Elterngeld sichert das finanzielle Auskommen der Familie im ersten Jahr nach der Geburt. Alleinerziehende, die vor der Geburt erwerbstätig waren, erhalten das Elterngeld die vollen 14 Monate lang. Geringverdiener erhalten ein erhöhtes Elterngeld von bis zu 100% des zugrunde liegenden Nettoeinkommens.
Zeit für die Familie ist besonders für Alleinerziehende wichtig. Eine familienfreundliche Arbeitswelt und Unternehmenspolitik ist daher ein wesentlicher Teil unserer nachhaltigen Familienpolitik. Die „Allianz für die Familie“ und das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie. Unternehmen gewinnen“ überzeugen immer mehr Unternehmen von einer familienfreundlichen Personalpolitik.
Im Einzelnen kommen folgende Leistungen Alleinerziehenden zu Gute:
- Einkommensteuer: Steuerentlastungsbetrag für Alleinerziehende
- Elterngeld für 14 Monate (statt 12)
- Unterhaltsvorschuss und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen
- Grundsicherung/Sozialhilfe: Mehrbedarfszuschläge in SGB II und SGB XII
- Kinderzuschlag mit besonderem Wahlrecht für Alleinerziehende ggü der Grundsicherung für Arbeitsuchende
- Wohngeld: Einkommensfreibetrag für Alleinerziehende
- Betreuungskosten: Zuschuss für Alleinerziehende beim Meister-BA?föG
- Kinderbetreuung: bevorzugte Vermittlung von Betreuungsplätzen nach SGB VIII
Weitere Maßnahmen mit besonderem Bezug zu Alleinerziehenden:
- Finanzierung von Kinderbetreuungsleistungen
- Steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten
- Zuschüsse zu Betreuungskosten bei Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen
- Betreuungskostenzuschuss für Auszubildende
- Kinderbetreuungszuschuss
- Einstiegsgeld (ESG)
Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales werden zwischen SGB II-Einrichtungen und lokalen familienpolitischen Akteuren kooperative Strukturen zur Unterstützung Alleinerziehender im SGB II entwickelt. An ausgesuchten Standorten sollen 2009 Erkenntnisse über Möglichkeiten und Hindernisse der Netzwerkbildung gewonnen werden, mit deren Hilfe eine nachhaltige Steuerungsstruktur aufgebaut werden kann. Es soll eine arbeitsteilige Netzwerkstruktur mit wechselseitigen Impulsen etabliert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, langfristig eine flächendeckende, funktionstüchtige Integrationskultur zu schaffen, um die Vereinbarkeit für Alleinerziehende zu verbessern und damit auch die Potenziale von Alleinerziehenden durch Integration in den ersten Arbeitsmarkt besser nutzen zu können.
In Ihrem Schreiben beklagen Sie, dass die Dauer der Zahlung von Unterhaltsvorschuss auf maximal sechs Jahre beziehungsweise maximal bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Kindes begrenzt ist.
Die rechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Leistungsdauer sowie auch der Altersgrenze ergibt sich aus folgenden Zusammenhängen:
Leistungen nach dem UVG stellen eine besondere Sozialleistung für das Kind und den alleinerziehenden Elternteil dar. Der Gesetzgeber hat sie vorgesehen, weil alleinerziehende Elternteile ihre Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen und bei Ausfall von Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils auch im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für den von dem anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen müssen. Diese zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche Unterhaltsleistung gemildert werden. Die öffentliche Unterhaltsleistung unterstützt den alleinerziehenden Elternteil damit in Situationen, in denen erwartete Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils - gewissermaßen planwidrig und in besonders schwierigen Lebenslagen - ausbleiben.
Durch die Beschränkung des Gesetzes (Ausgestaltung als vorübergehende Sozialleistung - die Zahlung erfolgt maximal für 72 Monate und maximal bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Kindes -, Beschränkung auf den gesetzlichen Mindestunterhalt gemäß § 1612a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] minus des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes) hat der Gesetzgeber aber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Leistung nicht als staatliche Unterhaltsausfallgarantie für Kinder bis zu deren wirtschaftlicher Selbstständigkeit konzipiert ist, sondern vorübergehend in besonders schwierigen Lebens- und Erziehungssituationen helfen will.
Hierbei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass mit der Leistung nach dem UVG nicht nur die finanzielle Belastung von Alleinerziehenden gemildert werden soll, sondern auch die schwierige Erziehungssituation, die sich mit zunehmendem Alter des Kindes entspannt, da der besonders hohe Betreuungsaufwand, den gerade jüngere Kinder erfordern, geringer wird.
An der vorrangigen Unterhaltsverpflichtung der Eltern, auch der Alleinerziehenden, ändert das UVG nichts. Aus diesem Grunde beschränkt sich die Unterhaltsleistung nach dem UVG auch nur darauf, für einen bestimmten Zeitraum den aktuellen Unterhalt zu sichern.
Können Leistungen nach dem UVG nicht gewährt werden, weil der Gewährungszeitraum von sechs Jahren ausgeschöpft worden ist, und kann der allein lebende Elternteil für den ausfallenden Unterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen aufkommen, kommen evt. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld) in Betracht.
Leider gibt es, wie in Ihrem Fall, immer wieder Elternteile, die ihrer moralischen und gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen.
Damit die Kinder den ihnen zustehenden Unterhalt bekommen, hat der Gesetzgeber Regelungen dafür im Unterhalts- Zwangsvollstreckungs- und Strafrecht getroffen. Im Unterhalts- und im Zwangsvollstreckungsrecht gibt es Regelungen, die die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche auch bei zahlungsunwilligen Elternteilen ermöglichen. Strafrechtlich drohen bei Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 des Strafgesetzbuchs eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Möglicherweise kann schon ein Hinweis darauf den Unterhaltspflichtigen zu mehr Einsicht bewegen.
Wie Sie sehen enthalten die Gesetze nahezu ein ganzes Maßnahmenpaket, um die Situation der Kinder zu verbessern. Um zu erfahren, welche Möglichkeiten sich Ihnen konkret bieten, können Sie sich zum Beispiel an Ihr Jugendamt wenden.
Für die Zukunft wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ursula von der Leyen