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Ursula Eid
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Frage von Wolfgang G. •

Frage an Ursula Eid von Wolfgang G. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Dr. Eid,

ich habe zwei Fragen anlässlich des in der letzten Woche geänderten Gentechnikgesetzes.
Zum einen interessiert mich eine Einschätzung von Ihnen zum genannten Gesetz. Hat sich die Situation bzw. die Information für den Verbraucher durch die neue Kennzeichnungspflicht "gentechnikfrei" verbessert?
Als ausgewiesene Expertin für die sogenannte Dritte Welt würde ich weiterhin gerne von Ihnen wissen, welche Chance die grüne Gentechnik für die Entwicklung in diesen Ländern Ihrer Meinung nach haben kann. Insbesondere mit Blick auf die Erreichung des Millenium-Zieles, die Anzahl der hungerleidenden Menschen bis 2015 zu halbieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Gauchel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gauchel,

vielen Dank für Ihre Mail, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.

Gerne beantworte ich Ihre beiden Fragen:

Der größte Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt gentechnisch veränderte Lebensmittel und den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab. Allerdings sind die deutschen Konsumentinnen und Konsumenten bisher in ihren Möglichkeiten, dieser Ablehnung auch mit ihrem Kaufverhalten Ausdruck zu verleihen, stark eingeschränkt. Denn wegen einer Kennzeichnungslücke auf EU-Ebene müssen Lebensmittel tierischer Herkunft, wie zum Beispiel Milch, nicht mit einem Gen-Label gekennzeichnet sein, selbst wenn diese Tiere mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden. Aufgrund dieser Kennzeichnungslücke entwickelte sich in den letzten Jahren der Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermittelpflanzen als Haupteinfallstor für die Agro-Gentechnik-Unternehmen.

Die beste Lösung wäre natürlich eine Schließung der Gen-Kennzeichnungslücke auf EU-Ebene. Solange sich dies auf EU-Ebene nicht durchsetzen lässt, ist eine Stärkung nationaler Lösungen wie die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" zu begrüßen. Denn wenn die Information, dass Gentech-Futtermittel verfüttert werden, schon nicht an die Verbraucher weiter gegeben werden muss, dann sollte zumindest die Information weiter gegeben werden können, dass die Landwirtinnen und Landwirte keine Gentech-Futtermittel eingesetzt haben. Mit mehr Rechtssicherheit bei der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" können gentechnikfreie Regionen ihre Produkte positiv kennzeichnen und Initiativen z.B. zur Erzeugung gentechnikfreier Milch werden gestärkt. Das Beispiel Österreich zeigt, wie groß das Interesse an seriös ausgezeichneten gentechnikfrei erzeugten Lebensmitteln ist. 80 Prozent der erzeugten Milch in Österreich ist bereits als gentechnikfrei deklariert.

Aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen ist die Kennzeichnungsmöglichkeit "ohne Gentechnik" gut und wichtig für die Wahlfreiheit der Verbraucher. Die nun von Seehofer vorgeschlagene Kennzeichnung ist nicht neu – theoretisch ist sie bereits seit 1998 möglich, als er selber in seiner damaligen Funktion als Gesundheitsminister diese Regelung in die Neuartige Lebensmittelverordnung aufnahm. Genutzt hat sie niemanden, denn sie wurde seinerzeit von Seehofer so konstruiert, dass sie an der Praxis vorbei geht. Wegen der fehlenden Kontroll- und Nachweismöglichkeiten sorgte sie für Rechtsunsicherheiten bei denjenigen, die das Label nutzen wollten. Das heißt, mit der jetzigen Neuregelung der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" im EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz (nicht zu verwechseln mit dem Gentechnik-Gesetz) wird die alte schlechte Seehofer´sche Verordnung verbessert und an geltendes EU-Recht angepasst. Davon haben nicht nur diejenigen etwas, die das Label "ohne Gentechnik" als Marktvorteil zukünftig nutzen wollen, sondern auch die Verbraucher.

Was für uns gilt, muss auch für alle anderen Länder gelten. In Ländern der dritten Welt, wo viele Menschen an Nahrungsmittelknappheit leiden, ist die Nutzung gentechnisch veränderter Getreidesorten mit höherem Ertrag eine verführerische Option: gleicher Aufwand, mehr Ertrag, weniger Menschen, die Hunger leiden müssen. Dies ist jedoch eine Milchmädchenrechnung.

Das Problem besteht nämlich nicht primär in der vorhandenen Nahrungsmittelmenge, sondern in der ungleichen Verteilung der Lebensmittel und der ungleichen Kaufkraft. Die gentechnische Erhöhung des Ertrags würde dieses Problem nicht lösen. Hinzukommt, dass die Menschen in den Ländern der dritten Welt genauso wie wir hier, die Wahlmöglichkeit haben müßen, ob sie gentechnik-freie oder gentechnisch veränderte Lebensmittel zu sich nehmen.

Dringend erforderlich ist grundsätzlich mehr Forschung hinsichtlich standortgerechter Pflanzen, verbesserte und effizientere Bewässerungslandwirtschaft, Forschung in der Lebensmitteltechnologie zur Haltbarmachung und Konservierung von Feldfrüchten, sowie verbesserte Lagerhaltung und Vermarktungssysteme.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Uschi Eid