Frage an Ulrike Rodust von Lorenz D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Rodust,
dass es einen Vorstoß der EU-Kommission gibt, Saatgut verpflichten registrieren zu lassen, ist einfach nur schockierend. Das der Tausch von Sorten unter Privatpersonen zusätzlich unter Strafe gestellt werden soll ist ein Skandal und passt nicht in eine Gesellschaft, die vorgibt, sich an freiheitlichen Werten zu orientieren.
Einen Verweis auf eine noch bevorstehende Anhörung im Parlament zu diesem Thema, beziehungsweise von noch ausstehenden endgültigen Aussfertigungen der neuen, geplanten Regulierung durch die Kommission ist unpassend; der Wähler sollte erwarten können, dass Sie sich von Beginn an klar gegen jegliche Regulierung von unbehandeltem und unter ökologischen Bedingungen angebautem Saatgut stellen.
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich, insbesondere im Hinblick auf Ihre Mitgliedschaft im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, für die Freiheit und den Schutz der Kleinbauern, privaten Gärtner und Selbstversorger einsetzen und ohne irgendwelche Einschränkungen das Recht auf die ökologische, private und unregistrierte Weiterzucht, den Verkauf oder Tausch von Saatgut, welches in einer normalen Welt unangefochten bleiben müsste, einsetzen und positionieren.
Bitte informieren Sie mich darüber, wie Sie sich einbringen werden, um der Entrechtung und Entmündigung der Menschen Europas, hier entgegenzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Lorenz Dietrich
Sehr geehrter Herr Dietrich,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Europäische Kommission hat am 6. Mai 2013 einen Vorschlag für die Verordnung über die Erzeugung von Pflanzenvermehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt (Rechtsvorschriften für Pflanzenvermehrungsmaterial) vorgelegt.
Vorrangiges Ziel dieses Rechtsvorschlages ist es, die zurzeit vorhandenen 12 Richtlinien zum Inverkehrbringen von Pflanzenvermehrungsmaterial in einer Verordnung zusammen zu fassen. Damit soll die Gesetzgebung zum Saatgut übersichtlicher und die bestehenden Regelungen, die überwiegend aus den 60er und 70er Jahre stammen, auf einen aktuellen Stand gebracht werden.
Es handelt sich hierbei um einen Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission. Gesetzgeber sind das Europäische Parlament und der Rat. Die Abgeordneten im Parlament können über Änderungsanträge den Vorschlag der Kommission verändern.
Nachdem sowohl das Parlament als auch der Rat ihre Positionen zu dem Verordnungsvorschlag festgelegt haben, beginnen die sogenannten Trilogverhandlungen, in denen sich die drei EU Institutionen (Parlament, Rat und Kommission) auf einen Rechtstext einigen. Dieser muss anschließend vom Gesamtparlament im Plenum und von den Mitgliedsstaaten im Rat angenommen werden. Erst danach kann die entsprechende Verordnung in Kraft treten. Ohne die Mitsprache des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten im Rat wird auf europäischer Ebene nichts entschieden.
Zurzeit befindet sich das Parlament bei dem Vorschlag zum Pflanzenvermehrungsmaterial in der Phase der Positionsfindung, bisher liegen keine Änderungsanträge der Berichterstatter auf dem Tisch und es gibt noch keinen konkreten Zeitplan.
Regeln zum Handel mit Pflanzenvermehrungsmaterial sind notwendig, um die Qualität und die Gesundheit von Saatgut für Landwirte, Gärtner, Privatpersonen und andere Marktteilnehmer sicherzustellen. Diese Regelungen müssen selbstverständlich ausgewogen sein. Denn es ist äußerst wichtig, die Artenvielfalt zu fördern und zu erhalten. Altes Saatgut und traditionelle Kulturpflanzen dürfen durch eine Änderung der Gesetzgebung nicht in Gefahr geraten.
Die Kommission beabsichtigt nicht den Tausch von Sorten unter Privatpersonen unter Strafe zu stellen, denn die Verordnungsvorschlag gilt nicht für Pflanzenvermehrungsmaterial, das zwischen Privatpersonen ausgetauscht wird. Zudem sieht der Vorschlag vor für Kleinstunternehmen vereinfachte Regelungen anzuwenden.
Saatgut muss in der EU ein Registrierungsverfahren durchlaufen, die Kriterien hierbei sind: Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit. Bei alten Sorten gelten schwächere Regeln für die Registrierung, die auf Grundlage von historischen Daten und praktischer Erfahrung vorgenommen wird.
Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament werden sich dafür stark machen, dass weiterhin Rechtssicherheit für Landwirte und Privatpersonen bestehen bleibt Saatgut untereinander zu tauschen, sofern keine exklusiven Eigentumsrechte vorliegen. Wir werden uns den vorliegenden Rechtstext genau anschauen und prüfen, ob Anpassungen notwendig sind, und wenn ja, werde ich über Änderungsanträge versuchen die Verordnung zu ändern und anzupassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Rodust