Frage an Ulrich Stockmann von Martin S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Stockmann!
Seit Jahren verfolge ich als Ingenieur für Energietechnik die Entwicklungen zur Herstellung von sogenanntem Biosprit und die entsprechenden Forschungsergebnisse dazu; inbesondere auch solche mit Methoden der Umweltbilanzierung (Footprint-Analysis).
Praktisch alle verfügbaren Informationen aus seriösen Quellen liefern überwiegend kritische Daten zu den Quellen dieser Energiequelle:
Monokulturen, Regenwaldvernichtung, enorme CO2-Emissionen durch Brandrodung und Trockenlegung von Sümpfen, Vertreibung indigener Völker, Vergewaltigungen ortsansässiger Frauen, Tötung und Ausrottung diverser Arten, Umweltbelastungen durch Pestizide, Verdrängung traditioneller Zuchtsorten durch Gentechnik, Erosion und dauerhafte Entwertung der Fruchtbarkeit der Böden.
Dabei scheint auch klar zu werden, dass einerseits der Netto-Umwelteffekt eher negativ bis neutral, außer bei Biogas aus sogenannten Nebenprodukten aber nie positiv ist, anderseits auch die Flächen auf diesem Planeten für die Biosprit-Produktion überhaupt nicht vorhanden sind. Schon gar nicht für wahnwitzige 10%-Spritbeimengung oder gar mehr.
Gleichzeitig kann ein sogenanntes Ökosiegel niemals vor Ort lückenlos kontrolliert werden, wie die Erfahrungen mit FSC-Quellen in Fernost zeigen.
Hiermit möchte ich Sie fragen:
Welche Haltung vertreten Sie zu diesem Thema als Abgeordneter im EU-Parlament?
Als Bürger, welchen Sie vertreten, fordere ich Sie auf, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um die Importe von Palm- und Sojaöl sowie Ethanol aus Zuckerrohr in die EU zu beenden. Inbesondere bitte ich Sie, sich für eine Abschaffung jeglicher Beimischungspflichten für Biosprit aus oben genannten Quellen (auch mit Ökosiegel) als Politiker entgegenzutreten.
Mit Erwartung Ihrer Antwort und
Freundlichen Grüßen,
Martin Stengel
Sehr geehrter Herr Stengel,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann ihre Bedenken hinsichtlich der Nutzung von Biokraftstoffen verstehen. Auch in der Fraktion der Europäischen Sozialdemokraten wurde das Thema mit ähnlichen Argumenten kontrovers diskutiert. Mit der Richtlinie zu erneurbaren Energien haben wir jedoch versucht die positiven Aspekte der Biokraftstoffe zu nutzen und die negativen Folgen weitestgehend einzuschränken.
Momentan ist die Europäische Union (EU) zu 98 Prozent von Treibstoffimporten abhängig. Das Gas und Öl, dass die Haushalte und Industrieunternehmen der EU nutzen kommt zu meist aus Russland oder dem Nahen Osten. Die erhöhte Nutzung dieser Energiequellen führt die EU nicht nur in eine gefährliche Abhängigkeit, wie es der letzte Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gezeigt hat, durch die hohen CO2 Emissionen schädigen diese Energiequellen in extremer Weise auch die Umwelt.
Ziel der erhöhten Nutzung von Biokraftstoffen ist es die Energiequellen der EU zu vervielfältigen und gleichzeitig umweltfreundlicheren Energieressourcen den Vorrang zu geben. Im Rahmen des legislativen Rechercheprozesses wurde ein immer stärkeres Augenmerk auf die sozialen und umweltschädigenden Risiken bei der Produktion bestimmter Biokraftstoffe gelegt.
Um die Gefahren der Brandrodung, Trockenlegung von Sümpfen, Ausrottung der Artenvielfalt oder Kinderarbeit entgegenzuwirken haben wir in der Richtlinie zu erneuerbaren Energien Regeln für eine nachhaltige Produktion festgelegt. Durch die Zertifizierung guter Produktionsmethoden werden soziale und umweltfreundliche Arbeitsweisen festgeschrieben. Verdrängungsprozesse, wie eine verstärkte Rodung des Urwaldes zur Schaffung neuer Biokraftstoffplantagen soll so ein Riegel vorgeschrieben werden. Zudem wurden soziale Kriterien festgelegt, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen sicherstellen sollen.
Um einen umweltfreundlicheren Energiemix für die EU zu gewährleisten brauchen wir neue Energiequellen. Meiner Meinung nach ist es falsch Biokraftstoffe, die insbesondere von Vertretern vieler Umweltschutzorganisationen lange gelobt wurden, von vornherein abzulehnen. Deswegen bin ich für den Einsatz von Biokraftstoffen, jedoch nur unter der Bedingung nachhaltiger Produktionskriterien. Die Risiken, die aus den Importen von Stoffen, wie Palmöl, ausgehen sind mir bewusst, durch die Bindung der Produktionsmethoden an Nachhaltigkeitskriterien verhindern wir Gefahren, wie die Rodung von Urwaldhölzern oder die Trockenlegung von Sümpfen. Zudem sollte betont werden, dass die Produktion von Biokraftstoffen auch positive Nebeneffekte haben kann. Bei der Herstellung von Rapsöl entsteht aus den Abfällen ein äußerst nahrhafter Rapskuchen, der zur Tierfütterung genutzt werden kann. Es gilt also diesen Themenkomplex differenziert zu beobachten.
Mit freundlichen Grüßen