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Frage von Michel K. •

Frage an Ulrich Kelber von Michel K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

ich erinnere hiermit an meine Frage vom 04.02.2009 und ihre Antwort vom 09.02.2009 zum Thema "Websperren gegen Kinderpornografie". Damals lagen Ihnen die konkreten Pläne der Familienministerin von der Leyen nicht vor.

Da inzwischen einiges neues Geschehen ist, ich beziehe mich auf den Vertrag zwischen dem BKA und fünf großen Zugangsprovidern sowie den Gesetzentwurf zu dem Thema, hoffe ich, Sie können mir Ihre Meinung zu diesem Thema heute weiter erläutern.

Ich würde mir wünschen, Sie würden insbesondere auf folgende offene Kritikpunkte eingehen:
- Es gibt keine Kontrolle der Liste, die das BKA erstellt, etwa durch Richter.
- Der vom Familienministerium dargestellte Zuwachs von Bilder und Videos mit Kinderpornografie um 111% beruht auf einem Interpretationsfehler, da nicht die Zahl der Urteile, sondern die Zahl der Ermittlungsverfahren gezählt wurde.
- Die Aussage, dass der finanzielle Geldfluss der sogenannten "Kinderpornografieindustrie" durch die Sperren nachhaltig beeinflusst werden kann, wird von Experten angezweifelt.
- Die technische Umsetzung der Websperren ist entweder leicht zu umgehen, technisch unzumutbar aufwendig oder betrifft fast automatisch zahlreiche harmlose Webseiten auch, je nach Art der Sperre.
- Viele der bisher auf den Sperrlisten anderer Länder aufgetauchte Webseiten enthalten eindeutig oder wahrscheinlich nicht kinderpornografische Inhalte.
Diese und weitere Kritikpunkte sind auch nachzulesen in einem Artikel der Fachzeitschrift c´t des Heise-Verlags:
http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antwort!

Mit freundlichem Gruß,

Michel Kangro

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kangro,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zu den geplanten Sperren für Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten.
Ich halte die gewählten Instrumente - also sowohl den Vertrag mit den Providern als auch den Gesetzentwurf - weiterhin für wenig geeignet das verfolgte Ziel zu erreichen. Das Gesetz dient in erster Linie der rechtlichen Absicherung der Provider, hat aber aus meiner Sicht einige Mängel, die unbedingt nachverhandelt werden müssen, insbesondere die Speicherung personenbezogener Daten und die mangelhafte Kontrolle über die Liste der gesperrten Webseiten. Das BKA soll zwar eine Dokumentationspflicht bekommen, diese finde ich persönlich aber nicht ausreichend. Ob es einen eklatanten oder gar keinen Zuwachs von Bildern und Videos mit Kinderpornographie im Netz gibt, ist für mich überhaupt nicht entscheidend, selbst wenn die Zahl sinken würde, wäre ich für die Nutzung aller Möglichkeiten, die Produzenten und Verkäufer solcher Inhalte strafrechtlich auf Härteste zu verfolgen. Leider halte ich aber weder den Vertrag noch den Gesetzentwurf dafür für weiterführend. Diejenigen, die sich diesen Dreck ansehen wollen, werden ihn sich weiter ansehen - ob über ausländische Provider, Eingabe der IP-Adresse oder andere Medien. Deshalb glaube auch ich nicht, dass wir mit diesen Mitteln den Geldfluss dieser Branche wirklich behindern oder auch nur stören können.
Aus meiner Sicht diskutieren wir hier über "weiße Salbe" die nicht wirklich hilft, aber unerwünschte Türen in Richtung Internetzensur aufzeigt - und Gründe, sich über einzelne Seiten im Netz aufzuregen finde ich täglich.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber