Frage an Ulrich Kelber von Josef R. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Kelber,
nachdem das Bundesverfassungsgericht in einem 1. Urteil dem Antrag auf einstweilige Anordnung zur Aussetzung des umstrittenen §19 im EEG 2009 widersprochen hat, ist ja nun die Regierung, bzw. der Bundestag gefordert, die Gesetzesvorlage des Bundesrates zur Bestandssicherung bestehender Biogasanlagen zu bearbeiten.
Aus ihren Antworten zu anderen Fragen in diesem Forum (insbesondere Herrn Streng) entnehme ich, dass Sie den Bestandschutz für bestehende Anlagen nicht wollen. Es ist ja richtig, dass durch entspr. Neuformulierung die vorhandene Interpretationslücke im alten EEG beseitigt worden ist und somit in Zukunft solche Anlagen wie in Penkun nicht mehr neu errichtet werden können. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Seite kann es aber doch nicht ernsthaft von Ihnen gewollt sein, die Existenz von mehr als 200 bestehenden Biogasanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 200 MW zu gefährden, bzw. zu zerstören, und mit diesen mehrere hundert Arbeitsplätze zu vernichten, bzw. Landwirte ihrer Existenz zu berauben - mal ganz abgesehen von der Vernichtung von 500 Millionen, die diese Anlagen gekostet haben.
Wie wollen Sie den Bürgern und insbesondere ihren dringend benötigten Wählern in der jetzigen schwierigen wirtschaftlichen Situation ein solches Vorgehen verständlich machen, wenn gleichzeitig Banken und andere Unternehmen mit vielen Milliarden unterstützt werden, und wie wollen sie so die hochgesteckten Ziele bzgl. des Anteils erneuerbarer Energien erreichen, wenn das Vertrauen einer ganzen Branche derart verspielt wird?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Josef Rüschoff
Sehr geehrter Herr Rüschoff,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zum EEG-Anlagenbegriff und die aktuelle Diskussion um einige bestehende Biogasanlagen. Wie ich hier schon gesagt habe, hat die Bundesregierung beschlossen, über den Änderungsantrag des Bundesrates erst zu entscheiden, wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt. Das Gericht hat den Antrag auf einstweilige Anordnung letzte Woche abgelehnt, eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde selbst gibt es noch nicht. Auch die Entscheidungsgründe kenne ich noch nicht, insofern ist die Frage, ob es im alten EEG eine "Interpretationslücke" gab, die bestimmte Anlagenbetreiber genutzt haben, noch unbeantwortet. Der Bundesrat hat im Juli 2006 gefordert: "Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die Anlagendefinition in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG präzisiert werden kann. Diese Regelung wird in der Praxis dadurch umgangen, dass Betreiber insbesondere auch Biogasanlagen zur Erzeugung einer bestimmten Energieleistung in möglichst viele Einzelkomponenten aufteilen. Die Splittung ermöglicht zwar die maximale Vergütung, hat aber ökologisch negative Begleiterscheinungen (größere Transportentfernungen für Biomasse und Gärsubstrat, höhere Emissionen, höherer Flächenverbrauch). Gleichzeitig werden die Stromverbraucher mit einer ungerechtfertigt hohen EEG-Umlage belastet." Die Bundesregierung hat zu dieser Forderung ebenfalls 2006 festegestellt: "Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die vom Bundesrat geschilderte Praxis bereits mit geltendem Recht unvereinbar ist." Jedem betroffenen Anlagenbetreiber und -investor musste also klar sein, dass er gegen den Willen des Gesetzgebers und damit gegen geltendes Recht verstößt. Dass dieser Rechtsverstoß von den Netzbetreibern zugelassen wurde, ändert nichts an dem Rechtsverstoß. Wenn Sie und andere hier und in Briefen fordern, dass der Bundestag diesen Rechtsverstoß nachträglich billigen soll und diese Anlagen weiter als Einzelanlagen fördern soll, dann empfinde ich dies als zumindest fragwürdig. Ich bleibe dabei, dass ich dies für falsch hielte und dies auch weiterhin laut sage.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber