Frage an Ulrich Kelber von Dietrich K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kelber,
ich wende mich an Sie zum Thema der "Abgeordnetenbestechung" (AB), deren effektive Eindämmung ich zur Wahrung demokratischer Entscheidungen für elementar halte.
In der Äusserung eines Regierungskollegen der CDU (siehe AW-Forum) - die wie ich hoffe nicht repräsentativ ist - wurde folgende Meinung vertreten:
1. Deutschland hat alle gem. UN-Konvention gegen Korruption geforderten Maßnahmen bereits gesetzlich geregelt,
2. Das deutsche Strafrecht in geht in seiner Konsequenz noch über die hierin benannten Präventionsmaßnahmen hinaus und
3. der Straftatbestand der AB in Bezug auf "Kauf oder Verkauf der Stimme bei Abstimmungen" nach § 108e des StGB ist klar geregelt.
Demgegenüber stellt "Transparency Deutschland" fest, dass Artikel 108e StGB
a) sich bisher nur auf den "Verkauf der Stimme" VOR "Abstimmungen im Parlament" und NICHT auf "alle Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Mandatspflichten bezieht, die als Gegenleistung für einen ungerechtfertigten Vorteil vorgenommen oder unterlassen werden",
b) keine "Dankeschön-Spenden" NACH einer Abstimmung,
c) keine "immateriellen Versprechen" (AR-Posten) u.
d) keine Vorteile für einen Dritten" (z.B. einen Verband, Verein, Verwandte oder eine Partei)
bestraft.
Die Tatsache, dass bisher erst EINE Verurteilung wegen Stimmenkauf (Urteil des LG Neuruppin vom 02.04.2007) vorliegt, zeigt m.E. klar, dass sich die bisherigen Strafregelungen in der Praxis als nahezu bedeutungslos erwiesen haben.
Daher sind sie mehr "Demokratie-KOSMETIK" als dass sie Korruption wirksam entgegenwirken.
Sollte man das Übel "strafrechtlich" nach UN-Standard nicht klar beim Namen benennen, um der Durchsetzung von Interessen Weniger wieder wirksam entgegen zu wirken um den demokratischen Auftrag gem Art 20/21 GG -wieder zu erfüllen ?
Über eine Antwort von Ihnen und Ihr Engagement zur - m.E. dringend notwendigen - Nachbesserung des deutschen Strafrechts würde ich mich sehr freuen !
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Käuffel
Sehr geehrter Herr Käuffel,
vielen Dank für Ihre Frage zur Abgeordnetenbestechung.
Die Antwort des Kollegen Vaatz kann ich tatsächlich so auch nicht nachvollziehen. Zur Umsetzung auch des VN-Übereinkommens gegen Korruption liegt dem Deutschen Bundestag ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beratung vor. Zur vollständigen Umsetzung der internationalen Vorgaben müssen allerdings auch die Regelungen zur Abgeordnetenbestechung geändert werden. Die entsprechenden Änderungen sind in dem Entwurf deshalb nicht enthalten, weil sich die gesetzgeberische Aktivität hierzu aus der Mitte des Parlaments entfalten soll.
Für mich und die SPD-Bundestagsfraktion steht die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung außer Zweifel. Wir wollen den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung sowohl zur Umsetzung der internationalen Vorgaben als auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ausdehnen.
Nach dem geltenden Recht sind die Bestechlichkeit und Bestechung von Volksvertretern nur in den Formen des Stimmenkaufs und -verkaufs bei Abstimmungen als Abgeordnetenbestechung nach § 108e Strafgesetzbuch (StGB) und der Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichen Verkehr nach Artikel 2 § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung strafbar. Die auf der Ebene des Europarats und der Vereinten Nationen entstanden Konventionen (Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption vom 27.1.1999 und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31.10.2003) enthalten Vorgaben zu einer weiteren Erfassung von Korruptionstaten von und gegenüber Abgeordneten und führen daher zu einem Umsetzungsbedarf im deutschen Strafrecht.
Umsetzungsbedarf besteht außerdem aufgrund der BGH-Rechtsprechung (Wuppertaler Korruptionsskandal und Kölner Müllskandal), da bei Korruptionshandlungen von und gegenüber kommunalen Mandatsträgern eine erhebliche Lücke besteht.
In der letzten Wahlperiode hatte die rot-grüne Koalition bereits einen ersten Anlauf unternommen, das bislang straflose Annehmen, Sichversprechenlassen oder Fordern von Vorteilen für Mandatshandlungen unter Strafe zu stellen. Der Entwurf scheiterte letztendlich daran, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sich nicht darauf verständigen konnte. Die vorgezogene Bundestagswahl verhinderte dann die weiteren Beratungen. Wir haben diese in der Großen Koalition unverzüglich wieder aufgenommen. Jetzt verweigert allerdings unser neuer Koalitionspartner weitere Gespräche zu diesem Thema. Wir haben daraufhin einen eigenen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion erarbeitet. Nach dem Koalitionsvertrag dürfen Gesetzentwürfe aber nur gemeinsam eingebracht werden. Die Umsetzung scheitert daher gegenwärtig an der CDU/CSU-Fraktion.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber