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Frage von Ogdan Ü. •

Frage an Ulrich Kelber von Ogdan Ü. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Herzlichen Dank für Ihre schnelle und entschiedene Antwort, ich finde es super, daß Sie (im Gegensatz zu den Kollegen von der CDU) das Forum hier auf abgeordnetenwatch nutzen.

Ich hätte noch eine kurze Rückfrage:

1) Warum wurde von den Vätern unseres Grundgesetzes für den einen Fall einer Verfassung für das ganze deutsche Volk (wie z. B. die EU Verfassung / Vertrag von Lissabon) eine Volksabstimmung vorgesehen?

2) Sie haben am 24.4.2008 dem Vertrag zugestimmt. Der Vertrag wurde (in englisch) aber erst am 16.4.2008 veröffentlicht. Konnten Sie den Vertrag vor der Abstimmung durcharbeiten?

3) Sie schreiben, daß die Delegierten zum EU Verfassungskonvent demokratisch legitimiert gewesen seien. Der Vorsitzende dieses Konvents war Giscard d´Estaing. Er selbst war (zu dieser Zeit) und ist in keinem nationalen oder europäischen Parlament gewähltes Mitglied. Darüber hinaus gab es gegen Ihn am 21. März ein Misstrauensvotum der gewählten Abgeordneten. Viele andere Teilnehmer des Konvents wurden ebenfalls nicht vom Volk und auch nicht von den gewählten Parlamenten nominiert und auch nicht bestätigt. Damit lag weder eine repräsentative Legitimation noch eine direkte Legitimation vor: welche Art von demokratischer Legitimation meinen Sie?

4) Der Vertrag von Lissabon enthält einige Änderungen an der EU Verfassung. Diese wurden von den Regierungen (Executive) verhandelt und beschlossen. Welche Art von Parlamentsbeteiligung wäre Ihrer Meinung nach wünschenswert gewesen oder sind auch sie für die Aufhebung der Trennung von Executive und Legislative, wie im EU Vertrag vorgesehen (vom Berichterstatter des Bundesverfassungsgerichtes wurde dies als potentielles institutionelles Demokratiedefizit bezeichnet).

Herzliche Grüße und nochmals vielen Dank,

Ihr Og ...

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ücgür,

vielen Dank für Ihre Nachfragen.
Weder die EU-Verfassung noch der Vertrag von Lissabon ersetzen das Grundgesetz noch ständen sie rechtlich über dem Grundgesetz. Insofern wäre auch über die EU-Verfassung nach den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht in einer Volksabstimmung o.ä. zu beschließen gewesen.

Der Vertragsentwurf liegt uns seit Dezember 2007 (s. http://www.bundesrat.de/cln_05/nn_8336/SharedDocs/Drucksachen/2007/0901-1000/928-07,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/928-07.pdf ) vor, wenn auch in der eher unleserlichen Fassung eines Gesetzentwurfes. Das sind wir im Parlament aber gewohnt, weil fast alle Gesetzentwürfe so aussehen.

Alle Delegierten des EU-Konvents waren demokratisch legitimiert, weil sie von demokratisch gewählten Regierungen oder Parlamenten entsandt worden sind. Wenn Sie eine solche Benennung oder Entsendung für nicht demokratisch halten, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass selbst die Richter des Bundesverfassungsgerichtes so gewählt/benannt werden.

Ein für mich sehr entscheidender Punkt, warum ich dem Entwurf der EU-Verfassung wie auch dem EU-Vertrag zugestimmt habe, war die deutliche Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und die deutlich frühere und bessere Einbindung der nationalen Parlamente, wie etwa dem Bundestag. Insofern kann ich das potentielle Demokratiedefizit nicht erkennen.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber