Frage an Ulrich Kelber von Karin S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kelber,
als ehrenamtlich im Bereich Datenschutz Tätige ernüchtern mich die Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Telekommunikationsüberwachung zunehmend. Insbesondere das Verstecken hinter angeblichen EU-Entscheidungen, die man mehr oder weniger selbst herbeigeführt hat, empfinde ich als in höchstem Maße unlauter.
Mich interessiert in diesem Zusammenhang ganz generell Ihr Standpunkt zur Frage der Vereinbarkeit von flächendeckender Telekommunikationsüberwachung mit unseren verfassungsmäßigen Freiheits- und Persönlichkeitsrechten und -spezieller - zu dem gestern vom Kabinett beschlossenen, diesbezüglichen Gesetzentwurf .
Mit freundlichen Grüßen,
Karin Schuler
Sehr geehrte Frau Schuler,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung.
Ich teile Ihre grundsätzlichen Bedenken gegen das Gesetz und seine konkrete Ausgestaltung in dem nun vorliegenden Entwurf. Ich persönlich halte ihn an etlichen Stellen für falsch und stark nachbesserungsbedürftig.
Dies gilt z.B. hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Zwar ist es richtig, dass sich der Gesetzentwurf eng an die Vorgaben hält, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat. Entsprechend dieser Vorgaben soll die Speicherungsfrist auf sechs Monate begrenzt und dürfen Daten, die über den Inhalt einer Kommunikation Aufschluss geben, nicht gespeichert werden. Dennoch bleiben aber nach wie vor massive Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer solchen flächendeckenden Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat wie auch bezüglich der gewählten Rechtsgrundlage bestehen. Der Deutsche Bundestag sollte die Verabschiedung des Gesetzes daher so lange aussetzen, bis die Frage der Rechtmäßigkeit vom Europäischen Gerichtshof abschließend geklärt ist. Darüber hinaus hat der Deutsche Bundestag in seinem Beschluss zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auch klargestellt, dass bei der Anwendung der Richtlinie insbesondere auch die Berufsgeheimnisse gewahrt bleiben müssen. Aus diesem Grund müssen die Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung auch hier im Zusammenhang mit der Neuordnung der Zeugnisverweigerungsrechte diskutiert werden.
Die sechsmonatige Speicherfrist für Telekommunikationsdaten, ist von der Bundesregierung auf EU-Ebene allerdings nicht selbst herbeigeführt worden, diese geht auch einen Antrag von Großbritannien, Irland und Schweden zurück, die eine EU-weite Speicherung dieser Daten von 36 Monaten durchsetzen wollten. Der gefundene EU-Kompromiss, der viel weitgehendere Vorschläge verhindert hat, ist gerade auch von Seiten der Bundesregierung durchgesetzt worden.
Wie für jeden anderen Gesetzentwurf gilt besonders für diesen für mich das "Strucksche Gesetz": es ist noch kein Gesetzentwurf so aus dem Bundestag rausgegangen, wie er hinein gekommen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Kelber