Frage an Ulrich Kelber von Dr. Annette S. bezüglich Gesundheit
Hallo Uli,
ich habe gerade auf spiegel.de gelesen, dass trotz aller Debatten die SPD-Fraktion am 2. Februar mehrheitlich für die Gesundheits-"Reform" stimmen möchte oder aus Koalitionsräson wohl eher muss. Wie wirst du persönlich votieren? Freuen würde ich mich auch über eine Begründung für deine Entscheidung und über deine Einschätzung, wie die politische Arbeit an diesem Thema weitergehen wird.
Viele Grüße nach Berlin
Annette
Liebe Annette,
vielen Dank für die Anfrage zur anstehenden Gesundheitsreform. Sie hat keinen guten Ruf, das ist wahr. Schlechte Erfahrungen der Vergangenheit, das lange Hin und Her der Koalition und das Trommelfeuer der Lobbyisten haben Ängste bei den Versicherten ausgelöst.
Aus meiner Sicht sind diese Ängste unbegründet. Ja, es gibt eine Verschlechterung, nämlich die Reduzierung der paritätischen Versicherung auf mindestens 95% der Kosten der Versicherungen statt bisher garantiert 100% kann zu einer geringen Mehrbelastung für die Versicherten führen. Und ja, viele Wünsche haben sich nicht erfüllt. Mit CDU/CSU war keine solidarische Bürgerversicherung machbar. Außerdem hat unser Koalitionspartner bessere Bedingungen für die Privatversicherten verhindert und sich als wahrer Freund der Versicherungskonzerne aufgespielt.
Aber es gibt viele Verbesserungen bei dieser Gesundheitsreform und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können jetzt -- nach Ende des langen Streits -- endlich beginnen, diese zu erzählen:
Eine echte sozialpolitische Revolution ist die Versicherungspflicht für Alle und die Wiederaufnahmepflicht früher Versicherter in der privaten Krankenversicherung zu einem verbilligten Basistarif. 300.000 Menschen ohne Gesundheitsschutz waren eine schwere Hypothek für unsere Gesellschaft.
Selbst Kritiker der Finanzanteile der Reform wie der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach loben die Strukturreformen. Viele wichtige Gesundheitsleistungen in der Schmerzmedizin, der Rehabilitation, der Hospize und der Versorgung von Kindern werden endlich Regelleistungen der Krankenkassen. Krebserkrankungen und andere schwere Erkrankungen können endlich durchgängig an den Spezialkliniken behandelt werden, es gibt keinen Zwangsverweis an die niedergelassenen Ärzte mehr.
Alle Krankenkassen müssen jetzt einen Hausarzttarif ohne Praxisgebühr anbieten, die Einnahmeunterschiede zwischen den gesetzlichen Krankenkassen werden solidarischer ausgeglichen als bisher. Privat Versicherte können bei einem Wechsel der Versicherung wenigstens einen Teil ihrer Altersrückstellung mitnehmen.
Also viele Gründe, Anfang Februar im Bundestag für die Gesundheitsreform zu stimmen. Und das werde ich auch tun.
Nichts desto trotz werden wir Sozialdemokraten weiter versuchen, die Bürgerversicherung einzuführen. Dafür werden wir bei der nächsten Wahl wieder für eine Mehrheit kämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Uli Kelber