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Frage von Stefan T. •

Frage an Ulrich Kelber von Stefan T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend, Herr Kelber,
als Pegida aufkam und danach die AfD die ersten Male bei Wahlen erfolgreich war, hieß es immer, die etablierten Parteien müssten Grundlegendes an ihrer Arbeit ändern, um dem wachsenden Politikverdruss und dem Misstrauen der Bürger gegen die Politik(er) entgegenzuwirken. Auch vor der Wahl in Frankreich war das ein ganz großes Thema.

Jetzt steht die Bundestagswahl an und ich kann nicht erkennen, wo sich da bei CDU, SPD, Grünen, FDP irgendetwas geändert hat. Stattdessen bestätigen Dieselskandal, Eierskandal, PKW-Maut usw. den geneigten Bürger in der Vermutung, dass die Interessen der Bürger auf der Agenda der Politik eher nachgeordnet angesiedelt sind. Wichtiger ist offenbar immer das, was (vermeintlich) den großen Unternehmen oder dem Parteiinteresse nützt.

Wo sehen Sie bei Ihrer eigenen Partei und Politik die Zeichen an uns Bürger, dass sich dahingehend etwas ändert oder vielleicht schon geändert hat? Und sagen Sie bitte nicht, dass es doch den Bürgern hilft, wenn ein großes Unternehmen möglichst nicht bestraft/geregelt/eingeschränkt/an seine Pflichten erinnert werden darf, weil sonst ja ganz viele Arbeitsplätze verloren gehen.

Mit freundlichem Gruß
S. T.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr T.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Politikverdruss.
Ich halte nicht so furchtbar viel von theoretischen Überlegungen, was die Parteien tun müssten, um Politikverdruss und Misstrauen abzubauen, ich bin dafür es praktisch zu tun. Ich setze dabei auf Transparenz und Kommunikation.
Sie werden von mir keine Äußerung finden, dass ein großes Unternehmen nicht bestraft oder an seine Pflichten erinnert werden muss, im Gegenteil. Ich sage das VW und alle anderen Autokonzerne ihren Kunden die Diesel-PKW so umrüsten müssen, dass sie die Normen einhalten, die versprochen worden sind und dies muss auf Kosten der Unternehmen geschehen. Ich habe immer gesagt, dass die Atomkonzerne für die Entsorgung ihrer Meiler und die Endlagerung der Brennelemente bezahlen müssen, nicht die Stromkunden und nicht der Steuerzahler.

Lobbyismus, politische Interessenvertretung, Spenden und Sponsoring sind legitim und teilweise sogar notwendig. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr der einseitigen Beeinflussung, der möglichen Bestechlichkeit, der Verdacht der Käuflichkeit, wenn all dies nicht transparent und für alle nachvollziehbar geschieht.
In der Politik sind solche Verdächtigungen und Gefahren schädlich, weil sie das Vertrauen zu den Abgeordneten und in die Demokratie untergraben. Wir haben deshalb schon zu Beginn dieses Wahlperiode die Abgeordnetenbestechung deutlich verschärft und Karenzzeiten für ehemalige Regierungsmitglieder eingeführt.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat darüberhinaus einen Entwurf für ein Interessensvertretungsgesetz erarbeitet, mit dem wir Regelungen zum Parteiensponsoring analog der Spendenpraxis einführen. Außerdem enthält der Gesetzentwurf ein verpflichtendes Lobbyregister sowie die Verpflichtung der Bundesregierung, Gesetzesvorlagen eine Auflistung der bei der Erarbeitung Mitwirkenden ("exekutiver Fußabdruck") beizufügen. Mit der Umsetzung dieses Interessenvertretungsgesetzes könnten wir die immer noch fehlende Transparenz in politischen Entscheidungsfindungen deutlich verbessern. Leider war die CDU/CSU nicht bereit mit uns ein solches Gesetz zu verabschieden. Wir werden es in der neuen Legislaturperiode erneut versuchen.

Ich persönlich liste schon seit Jahren meine Gespräche mit Lobbyisten und Verbänden sowie die Gesprächsthemen auf, um deutlich zu machen, dass ich mir möglichst alle Seiten anhöre und Entscheidungen nicht von Einladungen zum Abendessen oder Spenden für meine Partei abhängig mache. Das ist mein Beitrag gegen Politikverdrossenheit und Misstrauen.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber