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Frage von Susanne B. •

Frage an Ulrich Kelber von Susanne B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Kelber,

die Politik investierte bereits einiges an Energie in den Kampf gegen „Hatespeech“, häufig ohne justiziable und nicht strafrechtsrelevante Kommentare zu unterscheiden. Gibt es hierfür eine übergeordnete Definition? Falls es keine allgemein gültige Definition für Hatespeech gibt: entscheiden die Beteiligten willkürlich darüber, ob ein Kommentar der Hatespeech zuzuordnen ist?

Meine weiteren Fragen beziehen sich auf die BT-Drs. 18/7941: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen: „Maßnahmen von Bundesregierung und Unternehmen gegen Hassreden …“: Auf Frage 12 antwortet die Bundesregierung, zum Kampf gegen Hatespeech gehöre „die Förderung von Stellen, die ‚Hate Speech‘ systematisch recherchieren und Betreiber zur Löschung auffordern“. Auf die Fragen 33 bis 35, wie viele der von Firmen wie Facebook eingestellten Mitarbeiter Juristen sind und ob sie Schulungen erhalten, ist die Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.“ Warum fördert die Bundesregierung Stellen, ohne Kenntnis, ob Qualifikationen vorhanden sind? Braucht es keine Qualifikation, um Hatespeech zu identifizieren?

In der Antwort zu den Fragen 44 bis 46 wird laut Liste auch das „Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e. V.“ (BIG) mit 130.000 Euro gefördert. Und: „Der Deutsche Presserat wird zweckgebunden für die Tätigkeit des Beschwerdeausschusses mit einem Betrag in Höhe von derzeit 223 000 Euro jährlich gefördert.“ Das BIG ist eng vernetzt mit der Gemeinschaft Milli Görüs, deren Tradition laut Manfred Murck vom Hamburger Verfassungsschutz (im Abendblatt vom 16.4.2014) „nach wie vor nicht mit den Grundprinzipien unserer Verfassung vereinbar“ ist. Warum werden solche Gemeinschaften staatlicherseits gefördert bzw. welche Beiträge liefern sie gegen Hatespeech? Zum Presserat: Wie verträgt sich aus Ihrer Sicht der staatliche Geldsegen mit dem Grundsatz: Ein guter Journalist macht sich keine Sache zu eigen?

MfG Susanne Baumstark

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Baumstark,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema "hate speech" in sozialen Netzwerken.

Nicht alles, was von Nutzern der sozialen Netzwerke als Hassrede (hate speech) gewertet und an die Betreiber gemeldet wird, um die entsprechenden Einträge löschen zu lassen, erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung oder Beleidigung. Deshalb prüfen die Netzwerkbetreiber ja die entsprechenden Einträge auf strafrechtliche Relevanz aber auch im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Deutschland ist der Tatbestand der Volksverhetzung dann erfüllt, wenn jemand "in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet" (StGB, §130(1)). Die im europäischen Zusammenhang relevante politische Definition von Hassrede ist inhaltlich sehr ähnlich: Sie fasst unter diesem Begriff "alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen auf Intoleranz beruhendem Hass verbreiten, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen; einschließlich von Intoleranz, die sich in aggressivem Nationalismus und Ethnozentrismus, der Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Migrant/innen und Menschen mit Migrationshintergrund äußert". Äußerungen in den sozialen Netzwerken, die den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen scheinen, werden deshalb auch unabhängig davon, wie die Netzwerkbetreiber damit umgehen, von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt und gegebenenfalls zur Anzeige gebracht.

Zu Ihren weiteren Fragen: mit den geförderten Stellen, "die ‚Hate Speech‘ systematisch recherchieren und Betreiber zur Löschung auffordern" sind keine öffentlich geförderten Stellen bei den Netzwerkbetreibern gemeint, sondern zusätzliche Stellen bei Staatsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften, die sich schwerpunktmäßig mit diesen Straftaten und deren Verfolgung befassen. Diese Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind natürlich entsprechend qualifiziert und geschult. Über die Qualifikation der MitarbeiterInnen bei facebook, Twitter und anderen, die sich firmenintern mit diesen Fragen befassen, weiß und muss die Bundesregierung auch nichts wissen.

Zu den Projekt-Förderungen aus dem Programm "Demokratie leben":
Die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ (IGMG) ist laut Bundesverfassungsschutzbericht 2014 der „Millî Görüş“-Bewegung zuzuordnen. Weiter heißt es in dem Bericht:
"Vorliegende Anhaltspunkte belegen die auch weiterhin bestehenden Verbindungen zu Teilbereichen der „Millî Görüş“-Bewegung. Gleichwohl ist deutschlandweit – allerdings in unterschiedlicher Intensität –, insbesondere seit dem Tod von Necmettin Erbakan, ein schwächer werdender Extremismusbezug der IGMG festzustellen. Dementsprechend vertreten nicht alle Mitglieder der IGMG eine extremistische Zielsetzung. Dies korrespondiert mit den anhaltenden Bemühungen des IGMG-Vorsitzenden Kemal Ergün, die Organisation aus der Einflussnahme der „Millî Görüş“-Bewegung in der Türkei loszulösen und der IGMG ein eigenständiges Profil zu geben. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt mittlerweile eindeutig im religiösen Bereich, zum Beispiel auf dem Ausbau entsprechender Bildungseinrichtungen."
Und der Verfassungsschutz Hamburg stellt in seinem Bericht vom 9. September 2014 fest: "In Hamburg wird die IGMG durch das „Bündnis islamischer Gemeinschaften in Norddeutschland“ (BIG) repräsentiert. Das BIG gehörte zu den Organisationsteilen, in denen der Reformprozess begann und maßgeblich mit vorangetrieben wurde. Verfassungsfeindliche Bestrebungen sind nicht mehr festzustellen, so dass das LfV Hamburg die Beobachtung des BIG eingestellt hat."
Die Zuwendungsempfänger erhalten mit dem Förderbescheid darüber hinaus ein Begleitschreiben, dass sie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich in ihren Projekten keiner auf grundgesetzwidrige Weise betätigt. Das Begleitschreiben ist Bestandteil des Zuwendungsbescheides, sein Inhalt also bindend.
Und wenn Sie sich das geförderte Projekt "Think Social Now 2.0 - Verantwortung übernehmen im Internet" einmal anschauen, werden Sie sehen, dass es gerade darum geht, dem islamischen Extremismus mit modernen Kommunikationsmitteln entgegenzutreten. Die Medienkompetenz soll gestärkt und Nutzen und Gefahren der sozialen Medien nähergebracht werden. Es sollen Alternativen zu bestehenden radikalen und extremistischen Inhalten in den sozialen Medien bereitgestellt werden. Und das ist, wie ich finde, sehr gut gemacht.

Was die Förderung der Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserates angeht, so ist die Grundlage dafür das "Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses" aus dem Jahr 1976. Die Beschwerdeausschüsse des Presserates sind das Instrument der freiwilligen Selbstkontrolle der deutsche Presse, in das sich der Staat/der Gesetzgeber in keiner Weise einmischt (weder inhaltlich noch personell). Die jährliche Zuwendung ist zweckgebunden für die Beschwerdeausschüsse und dient der "Gewährleistung seiner (des Presserates) Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgabe zur Feststellung und Beseitigung von Missständen im Pressewesen". Da hier Journalisten und Verleger über Journalisten und Verleger urteilen, ist der Grundsatz guter Journalisten sicher gewährleistet.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber