Frage an Ulrich Kelber von Petra M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Kelber,
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sieht im Falle einer erzwungenen Streichung von Strom-Rabatten für die Industrie Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. So zumindest in Focus!Für mich ist diese Argumentation zu oberflächlich und populistisch: So einfach ist es eben nicht: In moderner Zeit wird Stahl zunehmend in integrierten Stahlwerken hergestellt, die die Roheisenherstellung, die Stahlproduktion und die Halbzeug-Fabrikation in einem Werk integrieren, um Transporte, Energie und damit Kosten zu sparen. Damit sind natürlich auch die Transportkosten des Rohmaterials (Eisenerz, Schrott) gemeint.
Nur soviel, als Stahlproduzenten in Europa sind Deutschland und Italien bedeutsam. Diese Standorte haben sich aufgrund der geografischen Nähe zu Lagerstätten erhalten.
Schaut man sich aber Thyssen Krupp zum Beispiel an, sind sie mit ihren defizitären Walzwerkinvestitionen in den USA belastet. Thyssen Krupp´s Werke in Italien sollen lt. EU entflochten werden. Der Edelstahlbereich in Europa ist belastet, aber jetzt doch nicht bitteschön wegen der zu erwartenden Stromkosten, sondern weil auch der Export naturgemäß hohe Transportkosten nach sich zieht und damit mit dem verbliebenen Export-Bezug eine eindeutige Relevanz zu der Wirtschaftskrise im Euroraum hergestellt werden kann.
Man braucht eben nur Stahl, wenn der Maschinenbau wieder läuft (oder die Rüstungsindustrie). Der Maschinenbau läuft, wenn diese Branche wieder Vertrauen in Nachfrage fasst-und deren Verbraucher, also die Abnehmer der Maschinen, ebenfalls (also Konjunktur, die sich ja am Schwanzende nur aus der privaten Nachfrage erschließt)...Und wieviele Stahlproduzenten in Italien eigentlich deutsch sind, ist interessant.
Daraus ergibt sich einfach die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung und natürlich auch meine Frage: Wie kann ich noch Vertrauen in die SPD behalten, wenn die SPD oberflächliche Analysen kommuniziert?
Mit besten Grüßen
Petra Merkel
Sehr geehrte Frau Merkel,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den EEG-Industrierabatten.
Die Befreiung bestimmter Industriezweige von der EEG-Umlage ist unter Rot-Grün eingeführt worden, um die Industriezweigen, die besonders hohe Stromkosten im Vergleich zu den sonstigen Produktionskosten haben, zu "schützen", damit sie international mithalten können. Unter Schwarzgelb sind die strengen Kriterien so aufgeweicht worden, dass immer mehr Industriebetriebe befreit wurden, und die EEG-Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher immer weiter anstiegen. Zu den befreiten Branchen gehört in der Regel auch die Stahlbranche, aber entgegen landläufiger Meinung gibt es in NRW nicht nur Stahlindustrie, sondern auch Chemie- und Kunststoffproduktion, Zementwerke, Kohle- und Gasproduktion, Aluminiumwerke, Papierproduktion, Maschinenbau, Lebens- und Futtermittelherstellung, Textilindustrie, etc. In all diesen Firmen arbeiten Menschen und dass deren Arbeitsplätze unter Umständen gefährdet sind, wenn die Produktionskosten wieder (deutlich) ansteigen, ist auch ohne differenzierte Betrachtung erst einmal eine begründete Vermutung. Dass die Ministerpräsidentin des größten Bundeslandes mit den meisten Einwohnern darauf hinweist, dass ihr Bundesland damit voraussichtlich auch besonders stark betroffen sein könnte, ist aus meiner Sicht keine oberflächliche Analyse, sondern einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber (ohne Dr.)