Frage an Ulrich Kelber von Anne H. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Kelber,
wie stehen Sie zu der Forderung des Präsidenten der Handwerkerschaft, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen?
Es gibt zahlreiche Berufe mit hoher körperlicher Belastung, neben den Arbeitnehmern am Fließband oder dem meist erwähnten Dachdecker zählen für mich Berufskraftfahrer dazu, da sie wegen der hohen Streßfaktoren durch immer enger vorgegebene Zeittakte häufig keine erholsamen Ruhezeiten haben, bedingt durch laute Parkplätze unmittelbar an Fernstraßen oder auch fehlende Standklimaeinrichtung in ihren Führerhäusern. Dies alles machen sich Schreibtischmenschen nicht nur nicht klar, sondern setzen sich mit ihren gesetzlichen Vorschriften - ausschließlich im Interesse von Unternehmern und auf Kosten der betroffenen Arbeitnehmer zu deren Lasten durch.
Von der SPD, die einmal für die Interessen und Bedürfnisse von Arbeitnehmern eintrat, ist die heute SPD sehr weit entfernt.
Als ehemalige Genossin und Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsfraktion bedauere ich dies sehr.
MfG
Anne Hübner
Sehr geehrte Frau Hübner,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Renteneintrittsalter.
Um es gleich vorweg zu sagen, die Forderung, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben ist Unsinn und wirklichkeitsfremd. Wir haben aktuell ein Renteneintrittsalter von durchschnittlich 61 Jahren, sind also noch weit entfernt von den 65 oder gar 67 Jahren, da müssen wir uns wirklich nicht den Kopf der Politiker des Jahres 2050 machen. Wir müssen unsere aktuellen Probleme lösen und damit haben wir genug zu tun.
Sie haben ja Recht, dass es Berufe gibt, die körperlich derart anstrengend und belastend sind, dass man sie nicht oder kaum bis zum 65. Oder 67. Lebensjahr ausüben kann. Deshalb sagen wir, also die SPD: Wir brauchen bessere Übergänge. In einer sich wandelnden Arbeitswelt ist es schwieriger geworden, für alle Arbeitnehmer/innen-Gruppen gleiche Formen des Eintritts ins Rentenalter zu schaffen. Nicht jeder Rentenzugang passt für alle, aber für alle muss es einen passenden Zugang geben.
Das gilt vor allem für diejenigen Berufsgruppen und Beschäftigten, die bereits heute wegen der Arbeitsbelastung oder aufgrund von Invalidität nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten können. Für diese wollen wir den Übergang ins Rentenalter ohne große Einkommensverluste ermöglichen.
Dafür schlagen wir differenzierte Angebote für den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente vor:
• der abschlagsfreie Zugang zur Rente ab 63 Jahren nach 45 Versicherungsjahren,
• eine attraktive Teilrente ab dem 60. Lebensjahr oder vergleichbare flexible Übergangsmodelle, bei denen auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen Tarifverträge abgeschlossen werden können,
• der abschlagsfreie Zugang zur Erwerbsminderungsrente und eine Verlängerung der Zurechnungszeit,
• erleichterte Möglichkeiten für Zusatzbeiträge an die Rentenversicherung.
Wir wollen nicht, dass sich die Anhebung des Renteneintrittsalters wie eine Kürzung der Renten auswirkt. Sie ist erst dann möglich, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und weitere Rentenansprüche erwerben können. In diesem Sinne werden wir die Überprüfungsklausel im Gesetz , die wir ja genau aus diesem Grund dort hineingeschrieben haben, auch anwenden.
Und wir wollen u.a. durch die Einführung eines Mindestlohns und einer Solidarrente dafür sorgen, dass die Rente dann auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringen Löhnen zum Leben reicht. Das ist sozialdemokratische Politik seit jetzt schon 150 Jahren.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber