Frage an Ulrich Kelber von Axel B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Hr. Kelber!
Bzgl. Ihrer Antwort auf die Fragen vom Hr. F. M. v. 13.06.2013 gestatten Sie einige Nachfragen. Übersehen Sie nicht, dass es auch in Ihrer Partei Menschen oder auch Institutionen gibt, die alle möglichen Optionen diskutieren? Die Fachleute der Friedrich Ebert - Stiftung wird wohl niemand als EU Hasser diskreditieren, oder?
http://www.zeit.de/2013/21/euroskeptiker-spd-linke/seite-2
Qualifizieren Sie die Vorgenannten in der gleichen Weise ab, wie Mitglieder der Linken? Man muss ja deren Argumente nicht teilen, aber inhaltlich kommt da außer Allgemeinplätzen von Ihnen nichts. Ist es nicht in Wirklichkeit so, dass die Wirtschafts-, Finanz - und Sozialpolitik seit Schröder (Zitat:"Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." Zitatende http://www.gewerkschaft-von-unten.de/Rede_Davos.pdf s.Seite 4 unter Drittens
zu der Misere in Europa entscheidend beigetragen hat? Insbesondere die marginalen Lohnerhöhungen seit mehr als 10 Jahren weit unterhalb des Produktivitätszuwachses in Deutschland und daraus resultierend die Missachtung des gemeinsamen Inflationsziels mit verheerenden Folgen für die Lohnstückkostenentwicklung in den EU Ländern.
Flassbeck:
http://www.youtube.com/watch?v=mfKuosvO6Ac
11:20 min - 15:00 min
22:10 min - 22:45 min
Da hier keine Wende aus ideologischen Gründen in Sicht ist, muss man dann nicht konsequenterweise über Alternativen nachdenken?
Im Übrigen: Wenn man zumindest die SPD Granden seit
dem Ausscheiden von Oskar Lafontaine aus der Regierung Schröder als Außenstehender beobachtet, so liegt der "Hasslevel" mindestens auf dem gleichen Niveau, dass Sie der Linken bzgl.der SPD attestieren.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Beu
Sehr geehrter Herr Beu,
vielen Dank für Ihre Nachfragen zu meiner Antwort an Herrn Müller.
Ich habe niemanden als "EU-Hasser diskreditiert", sondern darauf verwiesen, dass selbst innerhalb der Partei "Die Linke" die "Europafeindlichkeit" einiger Funktionäre der Partei kritisiert wird. Unter anderem deshalb ist eine langjährige Europaabgeordnete zur SPD übergetreten. Ich bin stolz darauf in einer Partei zu sein, die durchaus auch lebhaft und laut diskutiert, aber auch in dem von Ihnen verlinkten Artikel geht es nicht um einen Ausstieg aus dem Euro oder gar der EU, sondern darum ob es richtig war die Euro-Rettungspolitik der Regierung Merkel immer mitzutragen, auch wenn man bestimmte Fehlentwicklungen und -entscheidungen schon gesehen hat oder sieht. Auch kommen die zitierten Herren Scharpf und Streeck nicht von der Friedrich-Ebert-Stiftung sondern vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.
Dass wir unter in den Regierungsjahren von Gerhard Schröder die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und insbesondere des Niedriglohnsektors zu weit getrieben, ist innerhalb der SPD überhaupt nicht mehr umstritten, das sagt selbst Altbundeskanzler Schröder. Es würde an dieser Stelle wirklich zu weit führen oder besser zu lang werden, alle Gründe und Ursachen auszuführen, aber auf zwei Dinge möchte ich in diesem Zusammenhang doch hinweisen: das wichtigste Ziel der Arbeitsmarktreformen war es, die extrem hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen wieder an reguläre Arbeit heranzuführen. Dies sollte durch niedrigere "Eintrittsschwellen" geschehen und ist ja auch gelungen, allerdings haben einige Arbeitgeber die niedrigeren "Eintrittsschwellen" dann gleich auf ganze Belegschaften ausgedehnt - das war nicht im Sinne der Erfinder und muss korrigiert werden.
Die gesamte Hartz-Gesetzgebung war als "lernendes" System ausgelegt, weshalb wir überall Evaluierungsdaten eingesetzt haben, um zu schauen, ob das, was erreicht werden sollte auch erreicht wurde oder es zu Fehlentwicklungen kommt. Leider ist diese Evaluierung von der damaligen Opposition und vielen Medien oft als "Nachbessern" kritisiert worden, obwohl es ja genau darum ging, um nachbessern und leider wurde dann auch in der SPD zu oft so getan, als sei alles in Stein gemeisselt.
Die Bundesregierung, auch die rot-grüne, ist in Deutschland sicher für vieles verantwortlich, für die Lohnzuwachsraten aber nicht, dafür haben wir nach wie vor Gewerkschaften. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch nur einmal darauf hinweisen, dass vor etwa 10 Jahren einige SPD-Bundestagsabgeordnete, die sich im Rahmen der Arbeitsmarktreformen für einen Mindestlohn ausgesprochen haben, diese von den Gewerkschaften dafür heftig kritisiert wurden, weil sich die Politik nicht in die Tarifhoheit einmischen solle. Es gab und gibt also nicht nur in der SPD Lernprozesse.
Sehen Sie mir nach, dass ich mir Herrn Flassbeck nicht ausführlich angehört habe, Sie dürfen und sollen aber natürlich über Alternativen nachdenken. Ich bin gefragt worden, warum nicht mit den Linken und nur darauf habe ich geantwortet.
Ich kenne niemanden in der SPD, der die Linken oder Teile davon hasst, nicht einmal Oscar Lafontaine. Sie vergessen vielleicht, dass wir seine „Hundertgradwenden“ nur zu gut aus den Jahren kennen, in denen er noch in der SPD war, da lernt man Nachsicht.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber