Frage an Ulrich Kelber von Peter K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kelber,
für Ihre Antwort vom 22.8. möchte ich Ihnen danken.
Auch ich bin für die Verfolgung von Steuerhinterziehung. Als Steuerzahler bin ich an soliden Staatsfinanzen sehr interessiert. Besonders interessiere ich mich für die Schadenhöhe. Der von Ihnen erwähnte -gute!- Manager hat nach Medienberichten ungefähr eine Mio Euro hinterzogen. In letzter Zeit häufen sich aber die Fälle, in denen bei schlecht gemanagten Großprojekten weitaus höhere Betröge verloren gehen. Die Verantwortlichen werden jedoch nicht verantwortlich gemacht. Alles was ihnen droht, sind finanziell gut abgesicherte Rücktritte. Kölner Ubahn, Elbphilharmonie, WCCB, Flughafen Berlin, Nürburgring, EnBW, … hier sind über tausend mal mehr Steuergelder verloren gegangen, als bei dem erwähnten Hinterziehungsfall.
Besonders schlimm ist der Fall Stuttgart 21, bei dem Verantwortliche unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit wieder und wieder geschworen haben, der (bereits um 100% angehobene) Kostendeckel würde auf keinen Fall überzogen, und damit eine Volksabstimmung gewonnen haben. Ohne dass neue Fakten aufgetreten sind, soll das Projekt auf einmal 1,1 Mrd mehr kosten. Es scheint mir, dass die Kosten für die Abstimmung schöngerechnet worden sind. Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, würde ich auch das Steuerbetrug nennen. Als Reaktion erwarte ich jedenfalls etwas anderes als eine Vertragsverlängerung.
Da keine Partei hier gut aussieht, liegt es wohl am System. Wir müssen dazu kommen, dass Großprojekte sich nicht mehr um 100% oder mehr verteuern. Ehrliche Kalkulationen zu Beginn können auch dazu führen, ein Projekt als unwirtschaftlich einzustellen.
Ich bin nicht bereit, Steuererhöhungen zu akzeptieren, weil Milliarden verschleudert werden, keiner wirklich Verantwortung übernimmt und es deshalb immer so weiter geht.
Wird die SPD etwas tun, um solche Ausuferungen in Zukunft zu vermeiden? Wenn ja, was ist konkret geplant?
Vielen Dank und freundliche Grüße
Peter Kanzow
Sehr geehrter Herr Kanzow,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Großprojekten und ihrer Finanzierung.
Wenn es auf die von Ihnen angesprochenen Fragen einfache Antworten gebe, würde es sicher schon bessere Lösungen geben, aber es ist - wie immer im Leben - eben nicht so einfach.
Die Kostenexplosionen bei großen Bauprojekten (übrigens nicht nur öffentlichen) hat höchst unterschiedliche Ursachen: die oft lange Zeitspanne zwischen Planung und Realisierung (Flughäfen), die Änderungswünsche des Bauherrn (Reichstag, BER), "Überraschungen" im Bauuntergrund oder durch Rheinhochwasser (Stuttgart 21, Schürmannbau), übertrieben niedrig angesetzte Baukosten, um den Bauauftrag zu erhalten (fast alle), Korruption, Pfusch am Bau, mangelnde Projektaufsicht usw. usw.
Sicher wird man keine Lösung finden, die alle möglichen Missstände, Fehler und Schlampereien verhindert, aber ich denke, dass man bestimmte Regeln ändern muss, um hier zu Verbesserungen zu kommen.
Aus meiner Sicht wären dies z.B. Änderungen im Bau- und Vergaberecht, um die Kostenvoranschläge realistischer zu machen (dazu gibt es in GB erste gute Erfahrungen), eine kleinteilige, öffentlich einsehbare und kontrollierbare Projektplanung (Bsp. Olympia London), verbindliche Kostenplanung, die um maximal 10 Prozent überschritten werden darf, wenn es nicht zu erheblichen Änderungen am Bauplan kommt. Das sind einige der Überlegungen, die wir derzeit in einer Projektarbeitsgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion beraten. Sobald wir hier zu einem Abschluss gekommen sind, kann ich Ihnen die Beschlüsse gerne zuschicken.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber