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Frage von Joachim S. •

Frage an Ulrich Kelber von Joachim S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

Ihre Antwort vom 05.06.2012 auf die Anfrage des Herrn Greiner vom 01.06.2012 bezüglich der Reform des Bundestagswahlrechts einerseits und das, was im Bundestag aus der Auflage des Bundesverfassungsgericht zum Wahlrecht gemacht wurde andererseits, bringt mich jetzt völlig durcheinander.
Ist das, was uns Ihre Kollegen Volker Kauder und Volker Beck im Fernsehen zum Bundestagsbeschluss erklärt haben ernst gemeint oder ist das die Fortsetzung Ihres "Aprilscherzes"?
Es kann meines Erachtens nicht ernst gemeint sein, denn der Bund der Steuerzahler hantiert mit einer berechneten Schadenssumme von ca. 40 Mio € jährlich durch einen Aufwuchs des Bundestages. Und alle Bundestagsabgeordneten haben sich mit ihrem Amtseid verpflichtet, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
Wo ist hier mein Denkfehler? Können Sie mir helfen?

Mit freundlichem Gruß
Joachim Schafflik

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schafflik,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum neuen Bundeswahlrecht.
Ich weiß nicht, was die Herren Kauder und Beck im Fernsehen zum vereinbarten neuen Wahlrecht gesagt haben, deswegen kann ich das auch nicht erklären. Auch die Zahlen, die der Bund der Steuerzahler in die Debatte wirft, würde ich - wie fast immer bei diesem Verband - mit ein wenig Skepsis betrachten.
Ich erläutere Ihnen aber gerne, wie ich den Kompromiss zum neuen Wahlrecht verstehe und was ich davon halte:
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass Überhangmandate künftig ausgeglichen werden sollen. Damit ist sichergestellt, dass künftig wieder jede Stimme das gleiche Gewicht hat. Die Überhangmandate beeinträchtigen das gleiche Stimmrecht der Wählerinnen und Wähler, dies habe ich in meiner Antwort an Herrn Greiner denke ich deutlich gemacht. Das zentrale Versprechen der Demokratie aber ist: Das gleiche Wahlrecht für alle und jede Stimme gleich viel wert. Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Stimmen eines Wählers in Baden-Württemberg "mehr" zählt als die einer Wählerin aus NRW. Um das deutlich zu machen ist die SPD gemeinsam mit den Grünen nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.
Sie kritisieren, dass der Bundestag durch die Reform übermäßig anwachsen wird. Diese Sorge kann ich nachvollziehen, ich teile sie aber nicht. Der Bundestag wird durch die Ausgleichsmandate nicht übermäßig anwachsen. Nach derzeitigen Umfragen gäbe es 648 Sitze im Bundestag. Das sind 26 mehr als nach der letzten Wahl, Überhangmandate inbegriffen. Die Horrorszenarien, die Sie bisweilen in der Presse lesen konnten, sind nicht realistisch. Das räumen selbst die Autoren dieser Szenarien ein.
Auch wir sind daran interessiert, den Bundestag möglichst klein zu halten: Deshalb werden wir das Ergebnis der nächsten Wahl sorgfältig evaluieren und in der nächsten Legislaturperiode ggf. Gegenmaßnahmen ergreifen, z.B. durch eine Vergrößerung der Wahlkreise. Weil schon in einigen Wahlkreisen KandidatInnen für die nächste Bundestagswahl nominiert worden sind, konnten wir dies für die nächste Bundestagswahl nicht mehr schaffen.

Übrigens zeigt der europäischen Vergleich: In keinem anderen Land Europas vertritt ein Abgeordneter so viele Einwohner wie in Deutschland. Daran ändert sich auch nach der Wahlrechtsreform nicht viel: Auch dann wird jeder Abgeordneter in Deutschland mehr Einwohner repräsentieren als anderswo in Europa - Spanien ausgenommen.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber