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Frage von Claus B. •

Frage an Ulrich Kelber von Claus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

am 29.6.2012 soll im Bundestag über den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM abgestimmt werden.

Für den Fall der Zustimmung gegen diesen Vertrag habe ich folgende Fragen an Sie:

- Verstößt dieser Vertrag nicht gegen Art. 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV?

- Verstößt die Zustimmung zu diesem Vertrag nicht gegen die Haushaltshoheit der deutschen Abgeordneten im Bundestag?

- Kann gegen die Zustimmung zu diesem Vertrag Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden?

- Befürchten Sie nicht, dass es zu europaweiten Unruhen kommen könnte, wenn der ESM nicht mehr ausreicht und kontinuierlich aufgestockt werden müsste?

Vielen Dank für Ihre Antworten,

C. Blauer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Blauer,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum ESM-Vertrag.
Dem ESM-Vertrag werde ich in der nächsten Woche sehr sicher zustimmen, dem Fiskalpakt mit einiger Sicherheit.
Diese Zustimmung erteile ich, obwohl ich weiß, dass es zu einzelnen Punkten der entsprechenden Verträge und Gesetze noch verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf gibt, den es ja auch geben wird, weil bereits einige Klagen in Karlsruhe vorliegen, andere bereits angekündigt wurden und aktuell zu der Bitte des BVerG an den Bundespräsidenten geführt haben, diese Gesetze noch nicht zu unterzeichnen.
Für mich gilt deshalb, dass ich die letzten Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Themenkomplex nehme und sie neben die Gesetze lege und mir dann anschaue, ob die Forderungen des BVerG insbesondere nach einem klaren Mitspracherecht des Bundestages m.E. erfüllt sind, ist dies so, kann ich zustimmen.

Ihre Einzelfragen beantworte ich wie folgt:
- Nein, die mitunter geäußerten Bedenken, die Vertragsänderung untergrabe das bail-out-Verbot aus Art. 125 AEUV sowie die finanzielle Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten, sind nicht stichhaltig. Der neue Art. 136 Absatz 3 AEUV schreibt nicht vor, dass Länder finanziell „füreinander eintreten“ oder „haften“ müssen (Art. 125 AEUV). Er schafft lediglich Rechtsklarheit, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Kompetenzen (Wirtschafts- und Finanzpolitik) frei sind, einen Stabilitätsmechanismus einzurichten.

- Das Haushaltsrecht des Parlaments ist das wichtigste Recht des Deutschen Bundestages. Dieses wird durch den ESM-Vertrag nicht berührt oder verletzt, wenn wir nächste Woche die entsprechend formulierten Gesetze beschließen. Sowohl bei Hilfsanträgen als auch bei Kapitalerhöhungen muss in Deutschland der Deutsche Bundestag nicht nur informiert werden, sondern diese auch beschließen. Die Urteile des BVerG in den letzten Monaten dazu waren so eindeutig, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen daran nicht mehr vorbeikönnen, auch wenn sie es gerne getan hätten bzw. ja auch schon versucht haben.

- Ja, natürlich.

- Nein, der ESM-Vertrag und insbesondere der Fiskalpakt werden auf Drängen von SPD und Grünen jetzt ja mit einer Reihe weiterer Maßnahmen begleitet, die die schlimmsten Auswüchse der europäischen Finanzkrise (z.B. hohe Jugendarbeitslosigkeit) gezielt bekämpfen sollen. Außerdem muss jede Aufstockung des ESM von den Parlamenten der teilnehmenden Länder genehmigt werden. Weder die einzelnen Staatsregierungen noch die beteiligten Nationalparlamente noch das Europäische Parlament agieren in einem von der Realität abgetrennten Raumschiff und niemandem all dieser handelnden Personen ist egal, wie sich die Beschlüsse auswirken. Aber wir handeln eben auch nicht in einem kleinen Nationalstaat, der komplett von der Außenwelt abgeschottet ist, sondern sind ein nicht ganz unbedeutender Teil Europas und der Welt und müssen deshalb Verantwortung über unsere Ländergrenzen hinaus übernehmen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen Ihre Fragen damit beantworten konnte.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber