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Frage von Lukas G. •

Frage an Ulrich Kelber von Lukas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

mit großem Interesse habe ich den von Ihnen vorgestellten "Plan B" (1. April 2012) gelesen. Darin zeigen Sie die Problematik der (im neuen Wahlgesetz noch immer möglichen) ausgleichslosen Überhangmandate auf.

Gleichzeitig läuft zur Zeit eine von der SPD unterstützte Verfassungsbeschwerde gegen eben dieses Wahlgesetz (negatives Stimmgewicht/Überhangmandate).

Da ich meine mündliche Abiturprüfung (allgemeines Gymnasium in Baden-Württemberg) über das Thema "Vergleich zwischen dem Urteil des Bundesverfassungsgericht und dem Konzept der Regierungsfraktionen: Ist das neue Wahlrecht verfassungskonform?" halte, habe ich einige Fragen bezüglich des von Ihnen vorgestellten "Plan B" und der darin intendierten Verfassungsnonkonformität der ausgleichslosen Überhangmandate.

1. Warum greifen Sie die Überhangmandate an?
Zwar ist es -meiner Meinung nach- richtig, dass Überhangmandate der wesentliche auslösende Faktor bei der Entstehung von negativen Stimmgewichte sind, allerdings sind Ausgleich/Beseitigung der Überhangmandate nicht Teil des Regelungsauftrages (Urteil vom 3. Juli 2008) des Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr sogar einen Lösungsvorschlag vorgelegt, welcher die Überhangmandate beibehält.

2. Glauben Sie, dass das Bundesverfassungsgericht die Überhangmandate für verfassungswidrig erklärt obwohl der Anteil der Überhangmandate an der Gesamtheit der Sitze im Bundestag "nur" ca. 4% (im 4:4 Urteil 1995 bzw. 1997 bezüglich der Überhangmandate wurde als Richtlinie zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Überhangmandate ein Anteil von 5% definiert worden ist)?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese beiden Fragen schnellstmöglich (am besten bis Donnerstag, 7.Juni) beantworten könnten, sodass ich Ihre Stellungnahme in die Präsentation mit aufnehmen könnte!

Mit freundlichen Grüßen

Lukas Greiner

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Greiner,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich freue mich, dass mein April-Scherz auch Ihre Aufmerksamkeit gefunden hat. :-)
Zu Ihren Fragen:
Überhangmandate führen dazu, dass a) die vom Grundgesetz gewünschte Parität zwischen direkt im Wahlkreis gewählten Abgeordneten und denen, die über Landeslisten in den Bundestag einziehen, nicht mehr gegeben ist und b) die Ergebnisse der "Parteienstimme" also der Zweitstimme nicht mehr entsprechend im Bundestag abgebildet ist. Das lässt sich ganz einfach mit den aktuellen Zahlen belegen: für die 24 Überhangmandate, die die Union derzeit im Bundestag hat, hätte sie bei der Wahl 2009 1,75 Millionen mehr Zweitstimmen gebraucht. Wenn das keine Verfälschung des Wahlergebnisses ist, was dann?
Ja, ich glaube, dass das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Regelung für verfassungswidrig erklären wird, auch wenn wir im Moment "nur" 4 Prozent Überhangmandate haben. Neben dem oben geschriebenen wirkt sich das aktuelle Parteispektrum mit zwei "großen" Parteien, die die Wahlkreise fast komplett unter sich aus machen und bis zu vier "kleineren" Parteien, die ebenfalls den Sprung in den Bundestag schaffen können, geradezu als "Überhangmandate-Produzent" aus, es drohen also immer mehr statt weniger und dies ist nicht im Sinne der Erfinder.
Viel Erfolg für Ihre Abiturprüfungen!

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber