Frage an Ulrich Kelber von Rolf D. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Kelber!
Als 1986 der Fallout von Tschernobyl auch Gebiete Deutschlands erreichte, konnten teilweise erhöhte Cäsiumwerte gemessen werden, die sich auch in Lebensmitteln niederschlugen. Die Verbraucherzentralen veröffentlichten damals regelmäßig Listen mit Vergleichswerten, so daß man sich als Verbraucher orientieren konnte. Die Bundesregierung - so habe ich es zumindest in Erinnerung - plante damals eine Gesetz, daß bei einem nochmaligen Vorfall dieser Art jegliche Veröffentlichung von radioaktiven Werten, die nicht staatlich sei, zu verbieten sei. Schon seit vielen Jahren frage ich mich, ob aus dieser - mit Verlaub gesagt - Unverschämtheit des damaligen Innenministers (CSU-Zimmermann!) etwas geworden ist. Könnten Sie mir da weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen und dem Wunsch nach weiterhin guter Arbeit Ihrerseits für Bonn
Rolf Dernen
Sehr geehrter Herr Dernen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Frage der Veröffentlichung von Strahlungswerten etc. Eine solche Idee von Herrn Zimmermann habe ich ehrlich gesagt nicht in Erinnerung (zutrauen täte ich sie ihm schon), aber seitdem haben sich die Welt, die Technik und die Informationswege ja derart geändert, dass ein solches Verbot weder sinnvoll noch umsetzbar wäre. Als Folge von Tschernobyl wurde das Strahlenschutzvorsorgegesetz und das "Integrierte Mess- und Informationssystems für die Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt" (IMIS) geschaffen. Auf den Internetseiten des IMIS können Sie jederzeit die Gammastrahlenwerte aller bundesdeutschen Messstationen nachlesen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von unabhängigen/nichtstaatliche Institutionen sowie Privatpersonen, die regelmäßig ihre Messwerte ins Netz einstellen - wenn man den staatlichen Stellen nicht traut. Diese Veröffentlichungen im Falle eines - hoffentlich nicht passierenden - weiteren Fallouts in Europa zu verbieten oder zu blockieren, würde ganz sicher nicht zur gewünschten Besonnenheit führen, sondern das Gegenteil erreichen. Mit solchen Verboten würden mehr Unsicherheit, mehr Zweifel und mehr Misstrauen erzeugt, als notwendig und sinnvoll wäre. Die von der EU festgelegten Grenzwerte für Strahlenbelastung haben im Frühjahr für einige Verwirrung gesorgt. Bis zum 25.3. gab es in der EU lediglich Grenzwerte für Lebensmittel, die aus der Umgebung von Tschernobyl importiert werden. Für alle anderen Länder, also auch für Japan, gab es überhaupt keine Grenzwerte. Am 25.3. wurde dann von der EU-Kommission eine sogenannte „Schubladen-Verordnung“ – wie der Name sagt - aus der Schublade gezogen. Dort hatte Sie seit etwa 25 Jahren auf ihren Einsatz für den Fall einer Atomkatastrophe gewartet. Die dort vorgesehenen Grenzwerte liegen tatsächlich höher als die schon seit 25 Jahren geltenden für die Produkte aus dem Tschernobyl-Gebiet. Das war sehr ärgerlich und letztendlich darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Kommissionsmitarbeiter nicht richtig aufgepasst haben. Verbraucherschutzministerin Aigner hatte ebenfalls einige Tage gebraucht, bis sie diesen Fehler bemerkt hat. Die Europäische Kommission hat zusammen mit den Mitgliedstaaten inzwischen beschlossen, risikoorientierte Sofortmaßnahmen festzulegen, die eine Vorführpflicht aller Sendungen von Lebens- und Futtermitteln aus Japan mit einer Dokumentenprüfung vorsehen. Zusätzlich wurden Stichprobenprüfungen (Radioaktivitätsmessungen) zu den vorgeführten Erzeugnissen im Rahmen der amtlichen Lebens- und Futtermittelüberwachung in den Mitgliedstaaten angeordnet. Die Ergebnisse dieser Stichproben sind auf den Seiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht, s. www.bvl.bund.de.
Für die guten Wünsche herzlichen Dank, ich werde auch weiter mein Bestes für Bonn tun, versprochen.
Gruß nach Endenich
Ulrich Kelber