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Frage von Alexander K. •

Frage an Ulrich Kelber von Alexander K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kelber,

ich habe folgende Fragen an Sie zur heutigen Abstimmung über den EFSF:

1. Im Live-Ticker von Spiegel Online hieß es heute um 11.27 Uhr zur Debatte über den Euro-Rettungsfonds:

"[11.27 Uhr] Nach mehr als zwei Stunden Debatte wenden sich immer mehr Abgeordnete vom Rednerpult ab. Viele widmen sich ihrem Handy, ihrem Sitznachbarn und hören den Argumenten gar nicht mehr zu."

Wie beurteilen Sie ein solches Verhalten angesichts der historischen und finanziellen Tragweite des Abstimmungsgegenstandes?

2. Finden Sie die Kritik an Bundestagspräsident Lammert richtig, er hätte die "Abweichler" nicht auf die Rednerliste setzen dürfen?

Zusammengefasst: Welchen Wert hat Ihrer Meinung nach eine Bundestagsdebatte, bei der die Minderheit möglichst nicht gehört werden soll und bei der zahlreiche Abgeordnete nicht der Debatte folgen, sondern sich mit ihren Handys beschäftigen? Könnte hierin ein Grund für die immer weiter zunehmende Politikverdrossenheit liegen und wie lässt sich das Ihrer Meinung nach ändern?

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Knauss

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Knauss,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zu ESEF-Abstimmung. Hat der Live-Ticker von Spiegel-online sich wirklich erst um 11.27 Uhr über unaufmerksame Abgeordnete mokiert? Im Artikel zu der Debatte steht nämlich auch "Johlen, Rufen, Schmähen - in den ersten Minuten von Steinbrücks Rede geht es in den Reihen von Union und Liberalen zu wie unter Fußballfans. Und FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen durchkreuzt so häufig Steinbrücks Blickfeld, dass später bei den Liberalen gewitzelt wird, er habe wohl "Fußgeld" bekommen." Aber lassen wir das.

Wir Abgeordneten haben das Thema Rettungsschirm und Euro-Krise in den letzten Wochen in den verschiedensten Gremien und bei Veranstaltungen, in langen Briefen und Emails mehr als einmal und sehr ausführlich diskutiert, besprochen, erklärt. Jedenfalls kann ich das für meine Fraktion sagen. Auch die Argumente der Gegner habe ich in der Debatte nicht zum ersten Mal gehört, manch einer fehlte ja in keiner Talk-Runde mehr. Da finde ich es völlig normal, wenn man irgendwann auch nicht mehr jedem Redner gleich aufmerksam zuhört, seine Emails checkt oder mit dem Nachbarn tuschelt. Das passiert auch in anderen wichtigen Debatten und ist aus meiner Sicht unhöflich aber nicht verwerflich. Ich bin ziemlich sicher, dass Sie ähnliches aus Ihrem Arbeitsumfeld ebenfalls kennen.

Die Kritik, dass die beiden "Abweichler" keine Redezeit erhalten haben, geht zunächst einmal an die Fraktionen von CDU/CSU und FDP, die ihnen keine Redezeit aus den jeweiligen Fraktionskontingenten erteilen wollten. Dass Herr Lammert ihnen aus seinem Rechtsverständnis heraus dennoch Redezeit erteilte, finde ich jedenfalls bemerkenswert. Da er ansonsten oberster und wachsamer Hüter über die Geschäftsordnung des Bundestages ist, hat er damit einen Präzedenzfall geschaffen, auf den sich künftig jeder und jede Abgeordnete berufen kann, die keine Redezeit von der eigenen Fraktion bekommen hat. Ich glaube nicht, dass er dies wirklich wollte.

Als jemand, der der Debatte die ganze Zeit im Plenarsaal gefolgt ist, kann ich den Eindruck jedenfalls nicht teilen, dass die Debatte inhaltlich nicht der Wichtigkeit des Themas entsprach. Trotzdem könnte die Debatte natürlich ein Beitrag zu weiterer Politikverdrossenheit sein, weil die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger diesen Rettungsschirm ablehnt und sich mit dem Abstimmungsergebnis nicht vertreten fühlt. Umso dankbarer war ich Peer Steinbrück für seinen Debattenbeitrag, weil er sehr deutlich gemacht hat, dass es nicht nur um viel Geld ging, sondern vor allem um die große Idee eines einheitlichen, friedlichen und sozialen Europas. Wir vergessen das zu oft! Und ich bin sicher, wenn wir darauf wieder verstärkt hinweisen, haben wir dafür auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns.

Mit freundlichem Gruß

Ulrich Kelber