Frage an Ulrich Kelber von Peter K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kelber,
zunächst: ich empfinde volle Solidarität mit den griechischen Bürgern und bin bereit, den an der jüngsten Krise Schuldlosen - d.h. den allermeisten - finanziell zu helfen.
Aber wie konnte es zu dieser Situation kommen? Bei der Euro-Einführung versprach man den skeptischen Deutschen für den Verlust der DM einen Stabilitätspakt. Dieser wurde dann laufend gebrochen, auch von Deutschland, und damit Makulatur. Eigentlich entfiel damit die Geschäftsgrundlage für den Euro.
Als Griechenland in die Eurozone aufgenommen wurde, sagte man den skeptischen Deutschen erneut, dass nur absolut solide Wirtschaftsnationen aufgenommen würden, und dass Griechenland sorgfältigste Prüfungen bestanden habe. Heute wissen wir, dass das Gegenteil zutraf.
Bei all diesen wichtigen Entscheidungen, inklusive des Lissabonvertrags, wurde die Bevölkerung übergangen. Weder wurde sie gefragt, noch gab es wählbare Parteien, die dem Europakurs kritischer gegenüberstanden.
Ohne die bekannten, oft bedauerten aber nie beseitigten Demokratiedefizite in der EU hätte es vielleicht Debatten gegeben, die eine bessere Kontrolle und eine Vermeidung der jetzigen Krise zur Folge gehabt hätten.
Nun stehen wir vor einem Scherbenhaufen und eine ganze Generation muss um die Früchte ihrer Arbeit und ihre Altersvorsorge fürchten. Wer nachfragt, bekommt auf einmal Vokabeln wie "irreversibel" und "alternativlos" vorgesetzt.
Die angeblich friedenssichernde EU hat gestern ihre ersten drei Todesopfer gefordert.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich mehr als entsetzt bin.
Meine Fragen:
1) Wer hat deutscherseits die Aufnahme Griechenlands in den Euro zu verantworten? Wer hat dafür gestimmt? Wer hat Griechenland überprüft? Was waren die Resultate?
2) Griechische Politiker haben offenbar die Euro-Gemeinschaft betrogen. Gibt es bereits Ermittlungen und geplante Anklagen?
3) Warum beteiligen sich die Nicht-Euro-Länder der EU nicht an den Finanzhilfen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kanzow
Sehr geehrter Herr Kanzow,
vielen Dank für Ihre Fragen zu Euro-Beitritt Griechenlands vor 10 Jahren. Griechenland ist seinerzeit (Mai 2000) sowohl von der EU-Kommission als auch von Europäischen Zentralbank (EZB) überprüft worden. Die EZB bescheinigte Griechenland zwar, dass es erhebliche Anstrengungen unternommen habe, um die Voraussetzungen für einen Euro-Beitritt zu schaffen, war aber insgesamt noch nicht zufrieden. Die EZB sprach aber keine Empfehlung aus. Die EU-Kommission legte am 3. Mai 2000 einen Bericht vor, in dem sie die nötigen Voraussetzungen für einen Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone als erfüllt ansah, wenn man den Gleichbehandlungsgrundsatz anwende. Sie schlug deshalb vor, die Drachme zum 1. Januar 2001 als zwölfte Währung in den Währungsverbund aufzunehmen. Dem stimmte das Europaparlament mit breiter Mehrheit (bei Enthaltung der CSU-Abgeordneten) zu. Die rot-grüne Bundesregierung stimmte der Aufnahme beim Eco-Fin-Rat (Finanzminister Eichel) und bei der Sitzung des Europäischen Rates (Bundeskanzler Schröder) im Juni 2000 zu.
Ob es bereits Ermittlungen gegen diejenigen griechischen Politiker und Beamten gibt, die gefälschte Zahlen an die EU-Kommission geliefert haben, kann ich Ihnen nicht sagen.
Die schnellen Finanzhilfen für Griechenland werden von den Euro-Ländern und dem IWF getragen. Wie Sie am Wochenende aber sicher auch gelesen und gehört haben, beteiligen sich alle EU-Länder an dem enormen Stabilitätspakt zum Schutz des Euro-Raumes vor Finanzspekulanten. Die europäische Währung ist für alle EU-Länder ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft, deshalb helfen auch alle mit, die Angriffe auf die vermeintlich schwächsten Glieder der EU-Kette abzuwehren.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber