Frage an Ulrich Kelber von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Kelber,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort zum Thema Steuersünder-CD. Ich stimme Ihnen zu, dass Steuerhinterziehung eine Straftat ist, die geahndet werden muss - allerdings wünsche ich mir manchmal, der oft leichtfertige Umgang mit Steuergeld würde mit ebensoviel Leidenschaft verfolgt und geahndet.
Ich kann mir zwar nur schwer vorstellen, wie es kein Unrecht sein soll, wenn ein Vermögensverwalter Daten zwar rechtmäßig erhält, sie aber an Unbefugte weitergibt. So etwas nennt man vielleicht nicht Diebstahl, aber Veruntreuung. Da es in den Medien keinesfalls ausgemachte Sache ist, dass der Ankauf der Steuer-CD aus der Schweiz rechtmäßig ist, habe ich folgende Frage an Sie:
Bitte erklären Sie mir und den anderen Lesern dieses Forums, warum der Verkauf, der Kauf und die Verwendung der Daten aus der genannten CD rechtmäßig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kanzow
Sehr geehrter Herr Kanzow,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Wie Sie wissen, bin ich kein Jurist, deshalb gebe ich Ihnen nachfolgend die rechtliche Einschätzung unserer Juristen unter Einbeziehung eines Gutachtens des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages wieder, die ich nachvollziehbar finde. Dabei wird davon ausgegangen, dass Behörden der Länder die Daten ankaufen und es unklar ist, wie sich der Anbieter die Daten beschafft hat.
1. Strafbarkeit nach deutschem Recht
a. Nach deutschem Recht ist das Ausspähen von Daten strafbar, § 202 a StGB, wenn sich der Täter Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft. Ein Täter, der als Insider in der Schweizer Bank Zugang zu den Daten hat und deshalb auch keine Zugangssicherung überwinden muss, hat zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten mit der Schweizer Bank verletzt, ist aber nach dieser Vorschrift nicht strafbar. Ein Hacker, der die Zugangssicherung in einer Schweizer Bank überwindet, ist nach deutschem Recht ebenfalls nicht strafbar. Denn es handelt sich beim Ausspähen von Daten nicht um eine Tat, die nach deutschem Recht verfolgt wird, obwohl sie im Ausland begangen wurde.
b. Weitere Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch sind nicht einschlägig. § 202 b StGB (Abfangen von Daten) schützt vor einem Abfangen von Kommunikationsvorgängen und erfasst weder den Insider noch den Hacker. § 202 StGB (Verletzung von Privat-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen) greift ebenfalls nicht ein, weil damit nur die Geheimnisse, die einzeln aufgeführten Berufsgeheimnisträgern anvertraut sind, geschützt werden. Bankangestellte gehören nicht zu diesen Berufsgeheimnisträgern.
c. Das Hacken von Daten einer Schweizer Bank ist kein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und daher auch nicht nach § 44 BDSG strafbar. Denn das Bundesdatenschutzgesetz findet auf datenverarbeitende Stellen außerhalb der Europäischen Union und außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes nach § 1 Abs. 5 BDSG nur dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten im Inland erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Das ist aber nicht der Fall. Schweizer Banken erheben, verarbeiten und nutzen die Daten ihrer Kunden in der Schweiz. Diese Sachverhalte werden vom Bundesdatenschutzgesetz nicht erfasst.
Fazit: Es ist unbekannt, wie der CD-Verkäufer an die CD gekommen ist. Nach deutschem Recht ist jedenfalls weder die Herausgabe der Daten durch einen Insider noch das "Erhacken" deutscher Kundendaten in Schweizer Banken strafbar. Der "Täter" könnte hier nicht bestraft werden. Das Bundesdatenschutzgesetz gilt nicht.
2. Strafbarkeit nach Schweizer Recht
Nach dem Schweizer Strafgesetzbuch ist die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses, das aufgrund einer vertraglichen Pflicht bewahrt werden sollte, strafbar, Art. 162 StGB (Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses). Nach Art. 179 StGB ist auch das unbefugte Beschaffen von Personendaten strafbar.
Fazit: Der CD-Verkäufer hat sich nach schweizerischem Recht, nicht aber nach deutschem Recht strafbar gemacht.
3. Ankauf eines Beweismittels zulässig?
Nach § 94 StPO hat die Staatsanwaltschaft mögliche Beweismittel in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. Werden die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben, bedarf es der Beschlagnahme, die allerdings hier nicht möglich ist, solange die Staatsanwaltschaft nicht weiß, wo und bei wem sich die CD befindet. Der Ankauf der CD durch die Staatsanwaltschaft ist möglich, eine gesetzliche Grundlage wird dafür nicht benötigt, da in Rechte des Verkäufers nicht eingegriffen wird.
4. Strafbarkeit des Staates bei Ankauf?
Nur natürliche Personen können Straftaten begehen, nicht der Staat.
5. Strafbarkeit des Staatsanwalts bei Ankauf?
Das Beschaffen oder Erhacken dieser Daten oder der CD-Diebstahl in der Schweiz ist nach deutschem Recht nicht strafbar. Beihilfe oder Anstiftung zu diesen Handlungen könnten dennoch möglicherweise nach § 9 Abs. 2 StGB in Deutschland strafbar sein, wenn der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt hat. Allerdings ist bei abgeschlossenen, vollendeten Straftaten weder Beihilfe noch Anstiftung möglich. Auch eine Strafbarkeit wegen Hehlerei (§ 259 StGB) scheidet aus, da der Hehler mit Bereicherungsabsicht handeln muss. Der Staatsanwalt handelt aber nicht mit der Absicht, sich zu bereichern, sondern entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag, Straftaten zu verfolgen.
In Betracht kommt allerdings eine Strafbarkeit nach § 257 StGB (Begünstigung). Danach wird bestraft, wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Das scheitert daran, dass weder die Datenerfassung durch Insider noch das "Erhacken" der Daten nach deutschem Recht strafbar ist. Eine Strafbarkeit wegen Begünstigung scheidet damit aus.
6. Kann die Daten-CD im Strafverfahren verwertet werden?
Ja, es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht gehen sollte. In den zahlreichen Verfahren, die aufgrund der Daten auf der "Lichtenstein-CD" durchgeführt wurden, ist das auch niemals bezweifelt worden.
Kurz: Der CD-Verkäufer ist nach deutschem Recht nicht strafbar, wohl aber nach schweizerischem Recht. Der Ankauf eines Beweismittels durch die Staatsanwaltschaft ist zulässig und bedarf keiner gesetzlichen Grundlage. Der Staat ist ohnehin nicht strafbar; auch der handelnde Staatsanwalt verwirklicht mit dem Ankauf keinen Straftatbestand. Die Steuersünderdaten dürfen auch in einem Strafprozess verwertet werden.
Ich hoffe, damit sind Ihre Fragen hinreichend beantwortet.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber