Frage an Ulrich Kelber von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kelber,
in der Diskussion um Vorratsdatenspeicherung und ähnliche immer weiter ausufernde Überwachungsmaßnahmen wurde von Seiten der Politik immer betont, dass Daten geschützt sind und nur unter streng rechtsstaatlichen Grenzen genutzt werden dürfen.
Kritiker der Datenerfassung äußerten u.a. die Sorge, dass man nie wissen kann, wie sich ein Staat, der heute noch ein Rechtsstaat ist, morgen entwickelt.
Nun wird der deutsche Staat, ermutigt durch den als Innenminister großen Datensammler Wolfgang Schäuble, mit kriminellen Datendieben zusammenarbeiten, um an Informationen zu gelangen, an die er durch rechtmäßige Mittel (z.B. Verhandlungen mit der Schweiz) noch nicht herangekommen ist. Die Begründung lässt sich auf "Der Zweck heiligt die Mittel" zusammenfassen.
Wie können Sie vor diesem Hintergrund einem Mann noch erklären, warum heimliche Vaterschaftstests, die existenzielle Wahrheiten offenbaren, illegal sind? Darf der Staat zwar meine Wohnung nicht betreten, wohl aber einen Einbrecher vorschicken und diesem dann Fotos aus meiner Wohnung abkaufen? Welche Grenzen gelten noch für einen Staat, der sich Informationen, die er sich nicht rechtsstaatlich verschaffen kann, durch Gangster besorgen lässt?
Dazu muss man sich die Frage stellen: wenn elektronische Daten selbst bei Schweizer Banken nicht sicher sind, können sie denn überhaupt sicher sein? Kann es noch verantwortet werden, personenbezogene Daten elektronisch zu speichern, z.B. in Systemen wie ELENA? Muss man zum Aktenregal zurückkehren, um den Datendiebstahl physikalisch zu erschweren?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kanzow
P.S. Ich habe kein Konto in der Schweiz. Ich bin aber überzeugt, dass Politiker immer eine Mark mehr ausgeben als sie einnehmen, und dass auch durch zusätzliche Steuereinnahmen die Finanzlage unseres Landes nicht einen Deut besser wäre. Ich glaube nicht, dass die Einnahmen durch die "Steuer-CD" uns Steuerzahlern irgend eine Entlastung bringen werden.
Sehr geehrter Herr Kanzow,
vielen Dank für Ihre Frage zum Kauf von Dateien mit den Namen möglicher Steuerhinterzieher. Zunächst einmal: Steuerhinterziehung ist eine schwere Straftat, die mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Wer Steuern in Höhe von einer Millionen Euro und mehr hinterzieht, muss nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes in jedem Fall ins Gefängnis und kann sich nicht mit einer Bewährungsstrafe und Geldstrafe "freikaufen". Ich bin mit den drei aktuellen Fällen nicht im Detail vertraut, möchte aber darauf hinweisen, dass die rechtliche Prüfung im Fall Liechtenstein ergab, dass sich Ermittlungsbeamte sogar strafbar machen könnten, wenn sie Angebote zur Aufdeckung von Steuerhinterziehung nicht nutzten. Im aktuellen Mannheimer Fall soll es sogar unwahrscheinlich sein, dass es sich um Daten-Diebstahl handelt, weil der Vermögensverwalter die Daten im Rahmen seiner Tätigkeit erhalten hat.
Und: es gäbe das Problem überhaupt nicht, wenn die Schweiz endlich dem in der EU üblichen Verfahren zustimmen würde, so dass die Zinseinkünfte auf Auslandsvermögen automatisch an die Heimatländer gemeldet werden.
Insofern sind Ihre Vergleiche nicht stimmig, da Sie Äpfel mit Birnen vergleichen wollen.
Nach meiner festen Überzeugung müssen wir zu klaren Regelungen mit der Schweiz und anderen Steueroasen kommen, um die Steuerflucht zu stoppen. Außerdem muss ein Umdenken in den Banken stattfinden, damit diese nicht (mehr) in Richtung Steuerflucht beraten. Wenn dies erreicht ist, lohnt es sich für niemandem mehr, Daten auf CDs zu brennen und sie dem Staat zum Kauf anzubieten. Bis dahin aber muss der Staat die Möglichkeit haben, Straftäter auch auf diesem Wege zu verfolgen. Es geht hier nicht um ein Kavaliersdelikt und Gesetze gelte auch für die Menschen, die ein hohes Einkommen haben.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber