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Frage von Michel K. •

Frage an Ulrich Kelber von Michel K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

das ein oder andere mal habe ich hier bereits mitbekommen, dass Sie in einer Abstimmung im Bundestag entgegen Ihrer eigentlichen Überzeugung der Mehrheit Ihrer Fraktion gefolgt sind, da sie die betreffende Frage nicht als sogenannte Gewissensfrage betrachten.

Ich würde gerne wissen, nach welchen Kriterien Sie entscheiden, ob eine Frage Gewissensfrage wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Michel Kangro

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kangro,

vielen Dank für Ihre Frage zur "Gewissensfrage".
Gerne gebe ich Ihnen dazu meine Kriterien - und nur die können ja für mein Gewissen die entscheidenden sein.
Bei Fragen, wo es um Leben und Tod geht (z.B. Auslandseinsätze der Bundeswehr, Abtreibung, Todesstrafe) sind wir uns vermutlich einig, dass dies reine Gewissensfragen sind, weil häufig auch mit religiösen und ethischen Überzeugungen/Wertevorstellungen verknüpft sind.
Auch die Diskussion über eine Patientenverfügung und ihre Reichweite, die wir in den letzten Wochen und Monaten intensiv geführt haben, ist nach meiner Überzeugung eine Gewissensfrage, weil es auch darum ging, zu entscheiden, was letztlich im Erlebensfall ausschlaggebend ist: ärztliche/medizinische Gesichtspunkte und Überzeugungen oder der Wille des Patienten (um es sehr verkürzt darzustellen).
Auch die Frage, die von manch einem schon aufgeworfen worden ist, ob bestimmte medizinische Leistungen ab einem gewissen Alter noch durchgeführt oder gewährt werden sollten, wäre für mich eine Gewissensfrage.
Bei den eher rechtlichen Fragen sind es für mich natürlich in erster Linie die Menschrechte, deren Gefährdung oder Beschneidung ich immer für eine Gewissensfrage halte.
Um einmal deutlich zu machen, warum ich die Abstimmung über die Vorratsdatenspeicherung für eine Gewissensfrage halte, die über das Zugangserschwerungsgesetz (schreckliches Wort) aber nicht. Mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde nach meiner festen Überzeugung gegen das Grundgesetz verstoßen und rechtsstaatliche Grundsätze ins Gegenteil verkehrt (verdachtsunabhängige Speicherung von Daten). Niemand in Deutschland kann dem entgehen.
Mit dem Gesetz zur Blockierung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten wird - anders als von vielen Kritikern dargestellt - keine unmittelbare Zensur geübt (die Seiten sind ja weiterhin erreichbar), die ich auf jeden Fall abgelehnt hätte, weil grundgesetzwidrig, sondern es wird versucht ein gutes, richtiges Ziel mit falschen, unzureichenden und äußerst fragwürdigen Mitteln zu bekämpfen. Darüber kann ich den Kopf schütteln, mich ärgern, laut sagen, dass das Mist ist, aber es ist eben keine Gewissensfrage, sondern ein Streit über den richtigen Weg. Wäre allerdings die DNS-Sperre mit einer unmittelbaren Einleitung von strafrechtlicher Verfolgung verknüpft worden, hätte ich dem aus den gleichen Gründen wie bei der Datenvorratsspeicherung meine Stimme verweigert.
Ärgern tut mich dabei besonders, dass wir für diese Schaumkrone für Frau von der Leyen viele Menschen vor den Kopf stoßen, die das Internet und seine Möglichkeiten kennen und nutzen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Kriterien (Ethik und Grundrechte) deutlicher machen konnte und dass dieses Gesetz nach den drei Jahren, auf die es befristet ist, in den großen Parlamentspapierkorb wandert.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber