Frage an Ulrich Kelber von Martin N. bezüglich Staat und Verwaltung
Einen schönen guten Tag, sehr geehrter Ulrich Kelber,
Bierproduzent Dr. A. H. Heineken hat 1992 Überlegungen zur Neugliederung von Europa angestellt und bei verschiedenen Universitäten eine Studie mit dem Titel "The United States of Europe (A Eurotopie? (Eurotopia))" in Auftrag gegeben.
Die Idee, die hinter dem Vorschlag stand, war daß Europa internationalem Frieden, der Sicherheit und der Wirtschaft am besten dient, wenn es in kleinere Regionen mit mindestens 5 Millionen und höchstens 10 Millionen Einwohnern aufgeteilt wird. Dabei sollten aber historische und ethnische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um landsmannschaftliche Verbindungen nicht zu stören.
Brüssel, Straßburg & Luxemburg entscheiden dann über die Außen-, Verteidungs- und Umweltpolitik und die damit überflüssig gewordenen Nationalstaaten werden endlich überwunden.
Gemäß dem bewährten Subsidiaritätsprinzip ist die Ebene darunter die der Regionen: Lombardei, Franken, Katalonien, Flandern, Burgund, Rheinland ...
Was werden Sie tun, um ein solches bürgernahes Europa der Regionen voranzutreiben und die Nationalstaaten zu überwinden?
sonnige, neugierige Vormittagsgrüße aus der Bonner Fußgängerzone sendet Ihnen
Martin Nieswandt
Sehr geehrter Herr Nieswandt,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu einer möglichen Umgestaltung Europas.
Solche Überlegungen haben - genau wie der Vorschlag die Zahl der Bundesländer drastisch zu reduzieren - erst einmal einen entscheidenden Fehler: sie sind rein akademisch und orientieren sich nur an rationalen Gesichtspunkten. Wenn es um die eigene regionale und nationale Zugehörigkeit geht, sind die Menschen (und das nicht nur in Europa) aber eben nicht rational sondern sehr emotional. Es macht deshalb aus meiner Sicht wenig Sinn, sich darüber hinweg zu setzen und eine Debatte zu führen, die viele Menschen nur verschreckt und verärgert.
Nach meiner festen Überzeugung muss es vor allem darum gehen, den Menschen in allen Regionen Europas die Idee Europa wieder näher zu bringen und die politische Entscheidungsfindung in Europa transparenter und bürgernäher zu gestalten. Dabei bin ich nicht davon überzeugt, dass die "kleineren" Einheiten grundsätzlich bürgernäher sind als große. Bürgernähe heißt für mich in erster Linie Transparenz (wer entscheidet was, warum und wann und wo kann ich dabei mitreden). Hier mangelt es zur Zeit auf der europäischen Ebene am meisten und hier sind alle politischen Ebenen gefragt, dies möglichst rasch zu ändern. Vor allem aber müssen wir aufhören, alle Entscheidungen, die uns nicht passen, als Ausgeburt der EU-Bürokratie zu brandmarken, oft stecken da ganz andere Zusammenhänge hinter.
Kurz: an einem bürgernahen Europa arbeite ich auch heute schon (vielleicht noch nicht sehr erfolgreich) und werde dies auch weiter tun (hoffentlich erfolgreicher).
Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber
PS: Als Rheinländer und geborener Franke könnte ich mich persönlich natürlich sehr gut für eine größere Eigenständigkeit dieser beiden wunderschönen Regionen gegenüber Bayern und Westfalen erwärmen :-)