Frage an Ulla Schmidt von Guntram S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Schmidt,
Wäre es nicht angesagt, angesichts der hohen Krankenkassenbeiträge, einmal zu untersuchen, welche Leistungen die Kassen wirklich finanzieren sollten.
Sicher gibt es viele Krankheiten, die Patienten mit etwas Kenntnis auch selbst behandeln könnten oder auch selbst tragen können.
Durch das Kassensystem wird ein anonymer Topf geschaffen, und manchmal hat man schon den Eindruck, das verleitet auf Seiten der am Gesundheitswesen verdienenden dazu, diesen Topf zu missbrauchen.
Die direkte Kontrolle des Kunden, die das marktwirtschaftliche Regulativ darstellt, wird durch das Kassensystem ausgehebelt.
Würde eine direktere Kostentransparenz nicht auch der Patient zu verantwortungsbewusstem Umgang mit seiner Krankheit angehalten (nicht wegen jedem kleinen Wewehchen zum Arzt rennen)?
Muss man nicht damit rechnen, dass die Kassen in absehbarer Zeit kollabieren, aufgrund der demographischen Entwicklung. Schließlich kann man den Bürgern nicht unentwegt den schwarzen Peter für unerledigte politische Aufgaben zuschieben!
Sehr geehrter Herr Seiss,
vielen Dank für Ihren Beitrag, ich freue mich über Ihr Interesse an Gesundheitspolitik und Ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems.
Zuvorderst ist zu betonen, dass unser Gesundheitssystem zu den besten der Welt gehört. Das zeigen international vergleichende Studien immer wieder – z.B. die des amerikanischen Commonwealth Funds. Deutschland zeichnet sich, auch im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarstaaten, durch eine hohe Dichte von Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten oder auch von Apotheken aus. Wartelisten gibt es praktisch nicht. Und dieses hohe Versorgungsniveau steht in Deutschland nahezu allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung. Und im Gegensatz zu anderen, selbst ökonomisch ähnlich leistungsfähigen Ländern gibt es keine Leistungsausschlüsse aus Finanz- oder gar Altersgründen.
Dies alles sind Belege dafür, dass wir im Kern ein wirklich gutes System haben. Dennoch muss es laufend angepasst werden. Dabei setze ich eher auf schrittweise und zielgenau an Detailproblemen ansetzende Optimierungen, statt auf radikale Umstellungen.
Hinsichtlich der systematischen Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems befürworte ich nach wie vor eine umfassende Bürgerversicherung. Dann könnte jeder Bürger und jede Bürgerin unabhängig von Einkommen, Gesundheitszustand und Alter frei zwischen Krankenkassen oder privaten Versicherungsverträgen wählen und alle Versicherungen müssten nach denselben Spielregeln Versicherte aufnehmen und Leistungen gewähren.
Tatsächlich wirken viele Dinge in unserem Gesundheitssystem für den einzelnen sehr intransparent. Daher besteht die Notwendigkeit, bei allen Änderungen auch immer wieder auf die Verständlichkeit der Zusammenhänge zu achten. Und selbstverständlich hat der einzelne auch eine sehr hohe Verantwortung für seinen persönlichen Gesundheitszustand. Um dieses Bewusstsein zu stärken, haben wir u.a. Bonusprogramme, Anreize zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und ähnliches.
Konzepte, Patientinnen und Patienten stärker zu „Kunden“ zu machen, die eigenverantwortlich bei Bedarf „Gesundheitsprodukte“ erwerben, stoßen sehr schnell an Grenzen. Nicht erst bei schweren und teuren Erkrankungen wird schnell klar, dass ein „aushandeln“ von Preisen oder Leistungen für den Einzelnen nicht praktikabel ist. Deswegen setzen alle Länder der Erde auf eine entsprechende Bündelung von Mitteln und Patienteninteressen über den Staat oder, wie bei uns, über Versicherungen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt