Frage an Turgut Yüksel von Ahmet A. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Yüksel,
in der Schule haben wir darüber diskutiert, was politisch möglich ist, um Kinder mit Migrationshintergrund besser in das Schulsystem einzugliedern und zu fördern. Dabei haben wir folgende Vorschläge ausgearbeitet:
-Modernisierung der Schulen, um angenehmeres und zielorientierteres Lernen zu ermöglichen.
-Zusätzliche Deutschkurse an Schulen, damit Kinder, welche ohne Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind auf das sprachliche Niveau ihrer Mitschüler gebracht werden können.
-Eine bessere Schulung der Lehrkräfte.
Ihre Meinung würde uns zu diesen Vorschlägen sehr interessieren und wir hoffen auf eine naldige Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Ahmet
Lieber Ahmet,
zunächst einmal danke ich Dir sehr herzlich für Deine Fragen. Ich finde es toll, dass ihr Euch in der Schule mit politischen Themen auseinandersetzt und eine Meinung dazu bildet.
Ihr habt aus meiner Sicht völlig recht damit, dass Kinder mit Migrationshintergrund mit diversen strukturellen Benachteiligungen im Bildungssystem konfrontiert sind. Das ist jedoch eine massive Ungerechtigkeit, die nicht hinnehmbar ist. Erfolg darf aber niemals von der sozialen oder ethnischen Herkunft abhängen. Gerade das Schulsystem ist darum zentral für den Bildungs- und Integrationserfolg. Darum muss der Vielfalt der Schülerschaft Rechnung getragen werden. Das heißt, es braucht zunächst einmal kleinere Klassen, damit die Lehrerin oder der Lehrer mehr Zeit für jede Schülerin oder Schüler zur Verfügung hat und diese besser individuell fördern kann.
Zweitens ist ein längeres gemeinsames Lernen aus meiner Sicht unabdingbar, um allen Kindern die gleichen Entwicklungschancen zu geben und nicht zu früh zu selektieren – also Kinder, die scheinbar untalentiert sind, aber eigentlich nur etwas mehr gefördert werden müssten und dann die gleichen Leistungen bringen könnten, auszusortieren. Das kann später häufig nicht mehr aufgeholt werden. Drittens ist die Ganztagsschule mit Essens- und Freizeitangeboten ein notwendiges Mittel, um auch Kindern aus schwierigen Verhältnissen die Möglichkeit zu kulturellen oder sportlichen Bildungsangeboten zu geben. Denn das ist ein wichtiger Teil der Bildung und persönlichen Entwicklung.
Die gute Beherrschung der deutschen Sprache ist und bleibt der Schlüsse für den Schulerfolg. Zusätzliche Deutschkurse sind darum natürlich ein sehr gutes Instrument, um Kindern mit entsprechendem Förderbedarf zu unterstützen. Ich bin sogar der Meinung, dass diese Kurse so früh wie möglich beginnen sollten (also am besten schon im Kindergarten), damit alle auf dem gleichen Stand sind, wenn die Schule beginnt.
Aber auch für Seiteneinsteiger in deutsche Schulen muss es ein gutes Angebot geben, damit sie schnell in den Regelunterricht integriert werden können. Gerade wenn wir an die derzeitige Lage vieler Flüchtlinge in Frankfurt und Hessen denken, ist eine rasche und nachhaltige Integration der schulpflichtigen Kinder von großer Bedeutung.
Nicht vergessen werden darf, dass Bilingualität von Kindern mit Migrationshintergrund keineswegs eine Schwäche, sondern eine Stärke, eine natürliche Ressource ist, die es auch im Rahmen des Schulunterrichts zu fördern gilt. Herkunftssprachlicher Unterricht sollte deshalb ein wichtiger Bestandteil des Regelunterrichtes werden.
Ihr habt richtig erkannt, dass für die Qualität des Unterrichts besonders eine gute Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen entscheidend ist. Darum muss eine bessere Qualifizierung im Bereich der interkulturellen Kompetenz schon im Lehramtsstudium verankert werden. Dies sollte ein entsprechendes Prüfungsfach sein, damit interkulturelle Unterrichtsinhalte nicht von den Neigungen der Professorin oder des Professors abhängen.
In diesem Sinne wünsche ich Euch weiterhin gute Diskussionen und hoffe, dass ich mit meinen Antworten etwas dazu beitragen konnte.
Herzliche Grüße
Euer Turgut Yüksel