Frage an Torsten Schneider von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schneider,
ich schwanke bei meiner Wahlentscheidung derzeit noch zwischen SPD und den Grünen. Traditionell bin ich SPD-Wähler.
Die Mehrheit der Berliner wünscht sich nach einer ZDF-Umfrage erneut Klaus Wowereit als Bürgermeister (Quelle: http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/13/0,1872,8333837,00.html?dr=1 ). Deutlich wird in der Umfrage auch, dass eine Mehrheit Rot-Grün vor Rot-Schwarz bevorzugt. Eine Rot-Rote Koalition wird hingegen von der Mehrheit deutlich abgelehnt. Denn diese drei Koalitionen sind nach den Umfragewerten derzeit alle möglich. Die SPD kann sich ihren Partner somit aussuchen.
Leider liegt derzeit keine Koalitionsaussage der SPD vor. Viele Bürger haben Angst, dass die SPD erneut der Steigbügelhalter für die ehemalige PDS wird. Denn viele Berliner haben die Mauer und DDR-Unterdrückung noch nicht vergessen. Meine Familie war selbst sehr vom DDR-Regime betroffen. Jüngste Geburtstagsgrüße für Fidel Castro von den Linken und Wahlplakate der Linken gegen "Wild-West" haben viele Bürger aufhorchen lassen. Ich kann mich an wenige sinnvolle Impulse des Wirtschaftssenators der Linken erinnern, vernehme jedoch gute Ideen von den Grünen und auch Ihrer Partei. Aus dieser Angst heraus schäuen viele Berliner, die SPD zu wählen. Denn damit steigt die Chance, die Linke erneut in die Regierung zu holen. Ohne Koalitionsaussage gegen die Linke werde ich wohl die Grünen wählen. Mir wäre Schwarz-Grün allemal lieber als Rot-Rot. Und das liegt wirklich nicht an Ihrer Partei.
Wird Ihre Partei eine Koalitionsaussage noch vor der Wahl abgeben?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
ich bedanke mich für Ihre spannende Frage.
Die Berliner SPD hat die Stadt im letzten Jahrzehnt geprägt und die Menschen spüren und wissen, dass Klaus Wowereit und die SPD am besten zu Berlin passen. Wir waren ehrlich, haben den Leuten viel zugemutet und bilden trotzdem das Lebensgefühl der Berlinerinnen und Berliner am besten ab. Und alle wissen, dass wir hart an einer ausgewogenen Politik für die ganze Stadt arbeiten und sehen und würdigen auch unsere Erfolge.
Und so will ich es auch mit Ihrer Frage halten: Ich sehe sorgenvoll den desolaten Binnenzustand der Linken und deren offenkundig ungeklärtes Verhältnis zum Mauerbau und zur Demokratie allgemein. Die Linke steht vor einer unübersehbaren inneren Zerreißprobe. Gleichwohl haben wir im Rahmen der schwierigen Berliner Sonderlage gemeinsam gute Arbeit für die Stadt geleistet. Vor allem aber waren die Linke zumeist ein verlässlicher Partner im politischen Alltagsgeschäft. Denken Sie nur an die Schulstrukturreform, die z.B. in Hamburg unter schwarz/grün scheiterte, bevor die Grünen die Kolition dort verließen oder die Kitaausstattung, um die uns, trotz aller Schwierigkeiten, die ganze Republik beneidet.
Bei den Grünen erkenne ich ein bemerkenswertes Auseinanderfallen von Anspruch und Verantwortung und eine sehr anstrengende Besserwisserei. Die Grünen haben in Berlin mit zwei Ausnahmen über 200 Bebauungsplänen die Zustimmung verweigert. Sie versprechen in den Bezirken alles und agieren oft selbstherrlich. Diese populären Versprechen sollen dann aber - trotz bezirklicher Finanzautonomie - Land und Senat und damit alle anderen Bezirke bezahlen. So ist ein Bundesland nicht regierbar. Vor allem aber habe ich erhebliche Zweifel an deren Zuverlässigkeit und will hier keine Hamburger Verhältnisse.
Aber so oder so. Die SPD wird Verantwortung übernehmen und nach dem Willen der Wählerinnen und Wähler mit Klaus Wowereit an der Spitze den kommenden Senat anführen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Schwarz/Grün nicht zu Berlin passen würde und nur eine besonders starke SPD diese Option, die die Mehrheit der Grünen offenkundig anstrebt, verhindern kann. Die SPD wird mit allen, für eine stabile parlamentarische Mehrheit in Betracht kommenden, Parteien Schnittmengen ausloten und den Weg gehen, der Berlin am besten voran bringt. Wir haben uns nach intensiver interner Debatte mehrheitlich für die A 100 ausgesprochen und die Grünen haben sich gestern festgelegt, dass sie eine solche Koalition nicht mittragen, was eine schärfere "Ansage" darstellt, als zu „Stuttgart 21“.
Sie sehen, sehr geehrter Herr Reichhardt, einfach wird eine Koalitionsbildung in Berlin für niemanden. Eine von Ihnen gewünschte Festlegung ist weder angezeigt, noch ernsthaft möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Schneider, MdA