Frage an Torsten Schneider von Marcus S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Schneider,
die Finanzlage der Hauptstadt ist beklemmend eng.
Wie schätzen Sie denn die weitere Entwicklung ein.
Herzliche Grüße aus der Nachbarschaft
Marcus Schweizer
Sehr geehrter Herr Schweizer,
vielen Dank für Ihre wichtige Frage.
Das Bundesland Berlin hat mehr als 62 Milliarden Euro Verbindlichkeiten und wendet mit über 2 Milliarden Euro jährlich etwa 10% seines Gesamthaushaltes für den Schuldendienst auf.
Drei wichtige Indikatoren werden deshalb die finanzpolitischen Rahmenbedingungen politischen Gestaltungsspielraumes in den nächsten 10 Jahren bestimmen:
1. Unabhängig von der Frage der staatspolitischen Bewertung der im Grundgesetz verankerten sogenannten Schuldenbremse (die ich nach wie vor kritisch sehe) wird auch Berlin veranlasst sein, seine Ausgaben ab 2019 nicht mehr über Kredite zu finanzieren. Damit geht aber zum Istzustand ein Einnahmeverlust von mehr als 1 Milliarde Euro einher.
2. Von Gesetzes wegen schmelzen die sogenannten Solidarpaktmittel degressiv bis zum selben Zeitpunkt von 2 Milliarden Euro im Jahre 2005 vollständig ab. Berlin verliert also alleine dadurch 10 % seiner Haushaltsmittel.
3. Zugleich erleben wir Ausgabensteigerungen im Sozialtransferbereich und durch politisch gewollte und sicher weiter ansteigende Ausgaben zur Mietpreisdämpfung im mindestens hohen dreistelligen Millionenbereich.
Diese Finanzierungsschere verbietet es schlichtweg, sich unseriösen Träumereien hinzugeben. Weder kann es eine vom Staat finanzierte vollständige energetische Gebäudesanierung noch geschweige denn eine Neuauflage der sogenannten Anschlussförderung geben; ein ganz und gar alberner Vorschlag. Auch bei der etwaigen Rekommunalisierung werden wir priorisieren müssen und uns rein faktisch auf Bereiche ausschränken, die einnahmestabilisierend sind. Am wichtigsten ist aber der finanzpolitische Strategiewechsel. Die einseitige Fokussierung auf die Begrenzung der Ausnahmeseite ist ausgereizt. Berlin muss die Einnahmeseite stärker in den Blick nehmen und kann sich wirtschaftsfeindliche Verhinderungspolitik so wenig leisten, wie die unzureichende Verzahnung von Wissenschaft und Industrie oder weitere Steuergeschenke oder -Verluste.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Schneider, MdA