Frage an Torsten Koplin von Bodo F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Koplin,
ich habe auf der Internetseite von werte-waehlen.de gelesen, dass Christen von allen Politikern in MV wissen wollen, wie sie zu den christlichen Werten stehen. Sie kennen sicher diese Fragen, aber bisher haben Sie nicht darauf geantwortet. Sind Sie gegen Christen oder warum beantworten Sie diese Fragen nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Frenzel
Sehr geehrter Herr Frenzel,
haben Sie dank für Ihre Frage. Um es ganz klar zu sagen: Ich habe nichts gegen Christen. Es gibt auch welche in meiner Partei, der Linkspartei.PDS. Ich schätze das Engagement vieler Christen in aller Welt für Solidarität mit den Schwachen, Unterdrückten, Ausgegrenzten.
Die Fragen der Evangelischen Allianz sind mir seit dem 2.8. bekannt. Ich habe sie am 4.8. beantwor-tet und seit dem 14.8. sind die Antworten auch auf der Internetseite werte-waehlen.de nachlesbar. Im Kern vertrete ich die Meinung, die Gemeinsamkeiten zwischen christlichem und sozialistischem Menschen- und Gesellschaftsbild und ihrer praktischen Realisierung im Lebensalltag stärker zu betonen als die jeweils gegensätzlichen religiösen bzw. atheistischen Letztbegründungen.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht bloß in "Sonntagsreden" gewürdigte Werte sind, son-dern gelebte Alltagsnorm von immer Menschen werden. Noch ist es ja sehr oft so, dass sich Lügen, Tricksen, Betrügen lohnt und der Ehrliche der Dumme ist.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass es keine gesellschaftliche Akzeptanz von Tötungen gibt, weder für das ungeborene noch für das geborene Leben. Deshalb ist die Linke.PDS bekanntlich für die strikt gesetzestreue Arbeit der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Zugleich ist sie aber auch gegen die Beteiligung deutscher Soldaten an militärischen Auslandseinsätzen. Die strikte Einhaltung des Verbotes der Vorbereitung eines Angriffskrieges (GG Art.26) sollten alle demokratischen Parteien, aber auch christliche Kirchen von den darüber entscheidenden Politikern fordern.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass für mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau endlich das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" durchgesetzt wird. Seit Jahrzehnten wird dieser Grundsatz in der Bundesrepublik verletzt.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass die Bundesrepublik ihren Militärhaushalt drastisch kürzt und die Entwicklungshilfe radikal aufstockt, um wirklich nachhaltig Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Sie könnten sich zugleich dafür einsetzen, dass die fast 800 Milliardäre und die über 750.000 Millionäre in unserem Land durch eine Vermögenssteuer im Promille-Bereich auf einen Teil ihres Reichtums verzichten, ohne an Lebens-qualität einzubüßen. Mit diesem Geld könnte sehr vielen Erwachsenen und Kindern geholfen werden, endlich menschlich leben zu können.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass es mehr Toleranz gibt und jede Geringschätzung, Abwertung, Verfolgung, Vernichtung anderer Menschen wegen ihres Anders-Seins verhindert wird und Hetze, Hass, Anstachelung zur Gewalt, bewusste Verfälschung von Fakten konsequent verfolgt und bestraft werden. Aus meiner Sicht gilt das insbesondere für faschistisches Gedankengut, für die Leugnung des Nazi-Völkermordes im 2.Weltkrieg.
Christen und Sozialisten könnten aus ihrer jeweiligen Motivation heraus z.B. gemeinsam etwas dafür tun, dass endlich etwas gegen die Arbeitslosigkeit und nicht wie bisher immer nur gegen die Arbeits-losen getan wird. Wer wirklich "Vorfahrt für Arbeit" will, der wird letztlich nicht umhin könne "Stopp dem Kapital!" zu sagen. Denn die jahrhunderte lange und bis heute ungebremste Vorfahrt des Kapitals hat ja ganz wesentlich zu den auch von vielen Christen beklagten gesellschaftlichen Verwerfungen in unserem Land und in der globalisierten Welt beigetragen hat. Der Staatssozialismus in Osteuropa ist zu Recht untergegangen. Ein "Weiter so!" des real existierenden Kapitalismus ist aber ebenfalls keine Zukunft für Natur und Menschheit.