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Torsten Koplin
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Frage von Hans S. •

Frage an Torsten Koplin von Hans S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Koplin,

die von Ihnen vertretene Ansicht, die Beteiligung der Bundeswehr am Afganistan-Einsatz erfolgte gegen "die Mehrheit" der Wähler und ist möglichst sofort zu beenden ist auf den den ersten Blick nachvollziehbar.

Gleiches gilt für die von Ihnen in den vorherigen Antworten eingeforderte grössere Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen. Ist Ihnen bekannt, dass wir eine sogn repräsentative Demokratie haben, die plebiszitäre Elemente nur eingeschränkt zulässt ?

Sind Ihnen die aus unserer Geschichte bekannten Folgen von populistischen politischen Willensbildungen ... dem scheinbaren Willen des Volkes entsprechende .... bekannt ?? Wie gedenken Sie "bei mehr Bürgerbeteiligung" die Gefahr "des Volks- entscheids nach Tagesakualität ...Beispiel "die Mehrheit verlangt nach einem emotional aufrührenden Verbrechen" die sofortige Wiedereinführung der Todesstrafe, der sofortigen Abschiebung ...usw usw zu bannen

Freundliche Grüsse Hans Stein

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Sehr geehrter Herr Stein,

zunächst möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Sie meine Ansichten und Argumente für ein Ende der Einsätze deutscher Soldatinnen und Soldaten in Kriegsgebieten sowie die verbindliche Einführung plebizitärer Elemente in das Grundgesetz für nachvollziehbar halten. Zugleich entnehme ich Ihrer Frage die Besorgnis, dass Volksentscheide zu einer Politik nach "Tageslage" führen würden. Diese Besorgnis möchte ich so nicht teilen. Volksentscheide sind keine "aus dem Bauch Entscheidungen". Sie haben Prozesscharakter. Allein zwischen dem auslösenden Ereignis bzw. der ursprünglichen Situation und dem Beginn des Volksentscheides liegt eine Phase des Diskurses und der Aufklärung, im Anschluß dann das Erzielen des Votums und schließlich der parlamentarische Umgang mit demselben. Der britische Kunstkritiker John Berger schrieb hierzu im Jahr 2003 in einem Aufsatz folgendes: "Demokratie ist ein (selten verwirklichter) Vorschlag, wie Entscheidungen herbeigeführt werden sollten; mit Wahlkämpfen hat sie wenig zu tun. Sie verspricht, dass Entscheidungen erst getroffen werden, wenn man die Meinung der Regierten eingeholt hat. Voraussetzung dafür ist eine angemessene Information der Regierten über die betreffenden Fragen, wie auch die Fähigkeit und Bereitschaft der Entscheidungsträger, diese Meinung einzuholen und zu beachten. Wir dürfen Demokratie nicht mit der "Freiheit" verwechseln, zwischen Ja und Nein zu wählen, oder mit der Veröffentlichung von Meinungsumfragen oder mit der Zusammenfassung der Menschen zu statistischen Größen. Das ist nur Scheindemokratie." Auf einer solchen, wie im Zitat dargestellten Grundlage wären m. E. unausgereifte Entscheide unmöglich. Und noch etwas: Die von mir angemahnte Beachtung des Mehrheitswillens der Bevölkerung zu den Fragen der Kriegseinsätze oder der Rentenpolitik unterscheidet sich sehr von den Beispielen, die Sie in Ihren Überlegungen zum Ausdruck bringen. Die Verpflichtung zu einer friedlichen Politik und zum Sozialstaatsgebot sind im Grundgesetz verankert. Dort steht übrigens auch, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und das sie vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird (Art. 20 GG). Bei aller Verschiedenheit unserer Ansichten im Detail, Herr Stein, haben wir doch sicherlich ein gemeinsames, nämlich das Interesse daran, dass der Verfassungstext auch Verfassungswirklichkeit wird.

Mit freundlichem Gruß
Torsten Koplin

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