Frage an Tom Koenigs von Horst M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Koenigs,
ich wende mich an Sie als Vorsitzenden des Ausschusses für Menschenrechte und weil mir dieses Zitat gefällt:
Die Regierung und der Staat bzw. die Verwaltungen müssen immer etwas getrieben werden, wenn es um Menschenrechte geht. Ein Mehrparteiensystem ist insofern hilfreich für die Durchsetzung der Menschenrechte. Ebenso notwendig ist aber, dass die Bürgerinnen und Bürger wachsam und aktiv sind, ihre Rechte und Menschenrechte einfordern und auf Missstände hinweisen.
Da es Vorrang haben sollte, die Menschenrechte in unserem Staat durchzusetzen, frage ich Sie, ob Sie jeden einzelnen Fall von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland verfolgen, von dem Sie bzw. Ihr Ausschuß Kenntnis erhalten?
Mit freundlichem Gruß
Horst Murken
Sehr geehrter Herr Murken,
Ihre Frage danach, wie der Ausschuss Einzelfälle behandelt, ist berechtigt, weil häufig der Ausschuss wie die Stelle eines Ombudsmann/einer Ombudsfrau in Sachen Menschenrechtsverletzungen verstanden wird, was zu Missverständnissen führt. Während eine Ombudsstelle sich vorrangig um Einzelfälle kümmert, hat der Ausschuss einen anderen Zweck: Dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist in erster Linie aufgegeben, die Behandlung von parlamentarischen Vorgängen vorzubereiten, die in den Geschäftsbereich des Ausschusses fallen. Diese Vorgänge sind zumeist Anträge der Fraktionen, die vorrangig die Themen Menschenrechte oder humanitäre Hilfe betreffen. Im Ausschuss werden solche Anträge im Detail beraten und eine Beschlussempfehlung für das Plenum ausgehandelt. Die Funktion einer Ombudsstelle für Menschenrechtsverletzungen wird in Deutschland also nicht vom Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe wahrgenommen, sondern von den Gerichten und den Petitionsausschüssen der Länder und des Bundes.
Es gibt demnach laut Geschäftsordnung kein ausdrückliches Mandat, dass im Ausschuss Einzelfälle behandelt oder deren Verlauf verfolgt wird. Allerdings ist es möglich, "Fragen aus dem Geschäftsbereich" (so formuliert es die Geschäftsordnung des Bundestags) des Ausschusses zu besprechen. Über diesen Umweg können Einzelfälle auch im Ausschuss thematisiert werden. Wenn beispielsweise ein Einzelfall veranschaulicht, dass deutsches Recht und deutsches Staatshandeln verändert werden müssen, kann dieser Einzelfall aufgrund seiner Konsequenzen durchaus vom Ausschuss behandelt werden. Wichtig ist, dass der Einzelfall exemplarisch für einen systematischen Mangel oder eine Rechtslücke steht.
Zudem gibt es das Programm "Parlamentarier schützen Parlamentarier" (PSP), in dem einzelne Abgeordnete eine Art Patenschaft von bedrohten und verfolgten Parlamentariern und Menschenrechtsaktivisten abschließen. Weil in Deutschland Menschenrechtsaktivisten und Parlamentarier allerdings nicht systematisch bedroht werden, ist Deutschland nicht im Fokus des Programms.
Kurzum: Es ist nicht Aufgabe des Ausschusses, Einzelfälle zu verfolgen, aber er kann Einzelfälle behandeln, wenn sie gravierend und exemplarisch sind und somit in den parlamentarischen Geschäftsbereich des Ausschusses fallen.
Mit freundlichem Gruß
Tom Koenigs