Tobias Wiesemann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Felix S. •

Frage an Tobias Wiesemann von Felix S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Wiesemann!

Ihre Aussagen zur ÖDP kann ich nicht folgen. Ich beobachte mit Interesse die Politik.
Die ÖDP hat 5%- Hürden zu Kommunalwahlen zu Fall gebracht (NRW).
Die ÖDP hat den Senat in Bayern abgeschafft.
Die ÖDP hat Impulse zum Nichtraucherschutz gesetzt!
Aufgrund von ÖDP- Aktionen wurden mehrere Standorte für Atomkraftwerke gestrichen und zahlreiche Kommunen beantragt und auch beschlossen keinen Strom von AKW zu beziehen.
In Nordrhein Westfalen wurde eine vom Landtag gesetzeswidrig eingeführte Parteienfinanzerung durch eine Klage der ÖDP komplett vom Landesverfassungsgericht einkassiert. Die Grünen hatten nur gegen Teile geklagt.
Die ÖDP war neben den Linken und Dr. Gauweiler (CSU) mit 3 Klägern gegen den Vertrag von Lissabon in Karlsruhe vertreten. Die Klagen der ÖDP haben dem Bundestag und den Landtagen viel Handlungsspielraum gerettet und Automatismen aufgehoben, die Kompetenzverlagerungen nach Brüssel ohne Zustimmung der Parlamente ermöglicht hätten.
Die Grünen haben für diesen Vertrag gestimmt und waren nicht in Karlsruhe bei den Klägern vertreten, die sich für ein demokratisches Europa für Mensch und Umwelt einsetzen. Art. 2 von Protokoll 20 im Lissabonvertrag fordert die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben.
Glauben die Grünen wirklich, dass eine Umweltpolitik noch möglich ist, wenn die Konzerne sich immer mehr staatlich- hoheitliche Aufgaben aneignen?
Was soll mit den zahlreichen betroffenen Landes- und Kommunalbeamten passieren, wenn künftig die Verwaltungskonzerne deren Aufgaben übernehmen?
Hier ein Vortrag mit dem Atomphysiker Prof. Dr. Klaus Buchner:
http://viertuerme.blogspot.com/2011/02/prof-dr-klaus-buchner-uber-die-eu.html
Warum übernehmen die Grünen nicht von der ÖDP, die nach Ihrer Meinung "keine nennenswerte politische Größe" ist, dass sie keine Konzernspenden annehmen und warum wird das nicht auch als Gesetz gefordert, dem jede Partei zustimmen muss, die mit den Grünen koalieren will?

Mit bestem Gruß, Felix Staratschek

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Staratschek,

danke für Ihre Anfrage. Meine Aussage von der "keine nennenswerten Größe" darstellenden ÖDP bezieht sich auf die Anfrage vor der Ihren, bei welcher die ÖDP mit den Grünen in einem Atemzug auf die gleiche gesellschaftliche Relevanz gestellt wurde. Bei aller Sympathie für die ÖDP ist dem objektiv nicht so. Wenn ich mich mit Menschen auf der Straße unterhalte, gerade jetzt im Wahlkampf passiert dies öfter, dann stelle ich fest, dass die ÖDP vom Bekanntheitsgrad etwa auf dem Level der Bibeltreuen Christen oder der Familienpartei rangiert. Ich behaupte nicht, dass diese Parteien keine wichtige Arbeit in der Gesellschaft leisten. Aber ein nennenswerter Anteil am Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland sieht nun mal anders aus.
Die von Ihnen angesprochenen Punkte, bei denen sich die ÖDP von den Grünen unterscheidet, halte ich für absolut bedenkenswert. Persönlich bin ich allerdings der Meinung, dass Parteienspenden auch von Konzernen möglich bleiben müssen. Sie gehören zu einem demokratisch geordneten Gemeinwesen dazu. Wichtig finde ich, dass diese Spenden transparent sind.
Hinsichtlich der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben sehe ich insbesondere bei der Infrastruktur Gefahren für das Allgemeinwohl, die es zu kompensieren gilt. Hinsichtlich der Aufklärungsarbeit und der Ideen hat die ÖDP hier sicher wichtige Beiträge geleistet. Auf der anderen Seite muss es gelingen auch hoheitliche Aufgaben so zu organisieren, dass von ihnen eine möglichst geringe Belastung der öffentlichen Haushalte ausgeht. Ihr Argument, Umweltpolitik sei nicht mehr möglich, wenn die Konzerne sich immer mehr hoheitliche Aufgaben aneignen finde ich nicht stichhaltig. Konsequent zu Ende gedacht würde es bedeuten, dass Umweltpolitik in keinem Bereich möglich ist, (Energiepolitik, Gentechnik, Bauwirtschaft...), weil sich die Konzerne diese Bereiche ja auch angeeignet haben. Ich halte dem entgegen, dass Politik durchaus nicht zwingend als Spieler auftreten muss, sondern viel eher die Aufgabe der Erstellung des Regelwerkes und des Schiedsrichters wahrnehmen muss. Die Spielregeln so zu gestalten, dass echte Nachhaltigkeit in allen Bereichen unseres Zusammenlebens erreicht wird, dass muss Politik leisten. Das müssen wir vorleben. Das müssen wir in das Bewusstsein der Menschen katapultieren, weil wir nur so eine Chance haben langfristig in Frieden und sozial / ökologischer Gerechtigkeit zu leben. Die Vergangenheit zeigt leider, dass dies in staatlicher Obhut auch häufig nicht der Fall gewesen ist.
Ich finde es toll, dass Sie sich hier Gedanken machen und diskutiere gerne mit Ihnen weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Wiesemann