Frage an Tobias von Pein von Ines L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Pflegeberufekammer:
Wir Pflegekräfte sind die größte und „ärmste“ Berufsgruppe in Schleswig Holstein. Die Politik hat durch den Verkauf der staatlichen Einrichtungen sich eines hohen Kostenfaktors entledigt und die Pflege damit privaten zum Teil sehr profitgierigen Investoren überlassen und ist für die Misere, in der wir uns befinden mit verantwortlich. Es kann nicht sein, dass der Rettungsring, den man uns jetzt in Form der Kammer zuwirft, selber finanzieren müssen.
Gibt es wirklich keine andere Lösung, als die Finanzierung dieser Kammer, als durch Zwangsbeiträge? Ein absoluter Großteil von uns ist ja auch „abhängig beschäftigt“ also nicht selbstständig. Dafür müsste eine Kammer dann auch ausgestattet sein.
Dazu hätte ich gerne Ihren Standpunkt gewusst, vielen Dank!
I. L., Fachschwester für Anästhesie, Kiel
Hallo Frau Lobitz,
Vielen Dank für ihre Anfrage.
Wir haben die Pflegeberufekammer beschlossen, weil wir der Überzeugung
sind, dass die beruflich Pflegenden am besten wissen, was gute Pflege
wirklich ist und sie über die Inhalte ihrer Arbeit zukünftig selber
bestimmen sollen. Bislang war die Pflege fremdgesteuert, wirtschaftliche
Interessen spielen dabei eine große Rolle. Andere reden über die Pflege
und meinen damit aber oft nur ihre eigenen Interessen.
Mit der Einrichtung der Pflegeberufekammer hat die Berufsgruppe der
Pflegefachkräfte erstmalig einen eigenen Ansprechpartner, der
ausschließlich ihre Interessen und damit auch die Interessen der
Pflegebedürftigen vertritt. Die beruflich Pflegenden können sich in
Sachen Fort- und Weiterbildung auch mit dem Blick auf die kommenden
Herausforderungen einer immer älteren Gesellschaft beraten lassen.
Jede/r Bürger/in hat das Recht nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Stand versorgt zu werden. Die Kammer wird zukünftig für Fort- und
Weiterbildung zuständig sein und fördert damit eine bedarfsgerechte
Qualifikation. Die Berufsgruppe hat selber die Übersicht, wo Bedarfe
sind, weil neue Versorgungen möglich werden und der medizinische
Fortschritt sich weiterentwickelt hat. So ist die umfassende Information
aller Kammermitglieder über die aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisse im pflegerischen Bereich eine weitere Aufgabe der Kammer,
die auch die Qualität der pflegerischen Versorgung fördert.
Des Weiteren wird die Kammer eine Berufsordnung ausarbeiten und mit
dieser Berufsordnung regeln, was die allgemeinen und speziellen
Berufsaufgaben der beruflichen Pflege mit den ethischen Grundsätzen
dazu sind. Bei unsachgemäßen Rahmenbedingungen, die von Arbeitgebern
vorgegeben werden, können sich Pflegende an die Pflegeberufekammer
wenden und sich auf die Berufsordnung und Berufsethik berufen, um
bessere Rahmenbedingungen einzufordern.
Die Unzufriedenheit der meisten Pflegekräfte ist doch deshalb so hoch,
weil die Schere zwischen den eigenen ethischen und fachlichen Ansprüchen
und der Realität weit auseinanderklafft. Die bindende Funktion einer
Berufsordnung, die auch die Arbeitgeber zu berücksichtigen haben, wird
an der Situation etwas ändern.
Eine Kammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wir haben im
Gesundheitsbereich z.B. die Ärztekammer, die Apothekerkammer und einige
mehr, die inhaltliche Ausführung der jeweiligen Tätigkeiten vorgeben und
sich für die Belange ihrer Berufsgruppe stark machen. Die Berufsgruppe
der Pflegefachkräfte ist die größte Gruppe im Gesundheitssystem. Und nun
statten wir die größte Berufsgruppe, ohne die in der
Gesundheitsversorgung nichts geht, mit den Rechten der Selbstbestimmung
aus, so wie es bei den anderen selbstverständlich ist, und überlassen
sie nicht weiter der Fremdbestimmung. Auch die meisten Ärzte sind
Angestellte, das Argument zählt also nicht bei einer Kammer.
Die Pflegeberufekammer ist für alle in der Berufsgruppen der Pflege und
für alle Mitglieder da. Die Kammer ist in allen pflegerischen Belangen
somit erstmalig fester Ansprechpartner für die Politik, aber auch für
Verwaltung, Krankenkassen, Einrichtungen und Verbände, denn nur sie
vertritt die Interessen der beruflich Pflegenden, auch in der
Gesellschaft. Es geht darum, durch den ständigen Austausch mit allen
Akteuren im Gesundheitswesen die beste pflegerische Versorgung für die
Bevölkerung sicherzustellen. So finden pflegerische Anliegen frühzeitig
Gehör.
Zur Kammerarbeit gehört auch ein Kammerbeitrag, damit die ehrenamtliche
Arbeit der Kammerversammlung, des Kammervorstandes und der Ausschüsse
hauptamtlich unterstützt wird. Der Kammerbeitrag wurde von der
Kammerversammlung nun festgelegt und ist selbstverständlich
einkommensabhängig. Der Kammerbeitrag wird anhand der
Bruttojahreseinkünfte aus pflegerischer Tätigkeit abzüglich der
Werbungskosten (pauschal sind das 1.000 €) berechnet. Wer bis 416 € im
Monat verdient, bezahlt als Beitrag monatlich 1,42 €. Bei einem
monatlichen Verdienst von 1250 € wird ein monatlicher Beitrag von 4,25 €
erhoben und wer in der Pflege bis zu 2916 € monatlich verdient, bezahlt
9,92 €. Erst ab einem Einkommen aus der Pflege von über 5833 € ist der
Höchstbetrag von monatlich 19,83 € erreicht. Der Kammerbeitrag sichert
nicht nur die hauptamtliche Unterstützung der Arbeit, sondern auch die
Unabhängigkeit der Pflegeberufekammer vor Arbeitgebereinfluss und bei
politischen Veränderungen.