Frage an Tilo Kießling von Michael W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kiesling,
ich möchte mich über die Kandidaten meines Wahlkreises zur Bundestagswahl 2013 informieren und habe diesbezüglich drei zunächst recht allgemein gehaltene Frage, über deren Beantwortung ich mich freuen würde.
1. Welche persönlichen Gründe haben Sie für Ihre Kandidatur - mindestens einer, maximal drei?
2. Wurden Sie bzgl. Ihrer Kandidatur angefragt oder haben Sie sich selbst darum beworben?
3. Gibt es Punkte (maximal drei) innerhalb des Wahlprogrammes Ihrer Partei, mit denen Sie nicht 100% konform gehen können und wenn ja, warum nicht und was sehen Sie kritisch bzw. würden Sie daran verändern?
4. Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass - wenn Sie zukünftig, im Falle einer für Sie erfolgreichen Wahl Gesetze beschließen werden - sich sog. einfache Gesetze nicht nach dem Grundgesetz richten müssen?*
5. Sehen Sie die sog. Fraktionsdisziplin kritisch? Wenn ja, wie und warum? Und inwieweit würden Sie Fraktionsdisziplin vom Fraktionszwang abgrenzen?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung meiner Fragen, gern auch nur teilweise - ich weiß, es ist sehr umfangreich ;) - und viel Erfolg bei Ihrer Kandidatur.
Michael Winkler (Dresden)
* Ich beziehe mich hierbei auf ein Zitat der ehemaligen Hamburger Justizsenatorin Lore-Maria Gutzeit-Peschel „Was [also] in einfachen Gesetzen steht, ist nicht etwas, was sich in jedem Punkt an der Verfassung messen lassen muss und kann.“ - widergegeben am 23.05.2009 in der Sendung "Sind wir in guter Verfassung? - 60 Jahre Grundgesetz" auf Deutschlandradio Kultur.
Sehr geehrter Herr Winkler,
ergänzend zu meinen jetzigen Ausführungen verweise ich auf eine Frage, die ich im abgeordnetenwatch.de-Profil als Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden beantwortet habe.
Zu 1.: Meine Kandidatur hat politische Gründe. Meine persönlichen, sofern sie sich davon überhaupt trennen lassen, sind unerheblich.
Zu 2.: Ich wurde angefragt.
Zu 3.: Ein Wahlprogramm ist das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses innerhalb einer Partei, durchaus also ein Kompromiss, auf den man sich als Geschäftsgrundlage eines Wahlantrittes geeinigt hat. Insofern stimme ich inhaltlich vermutlich mit keinem einzigen Punkt "zu 100%" überein, akzeptiere aber natürlich alle vom Parteitag beschlossenen Punkte als Arbeitsgrundlage in der zukünftigen Fraktion.
Zu 4.: Ich halte das von ihnen genannte Zitat für Unsinn. Gesetze haben sich nach dem Grundgesetz zu richten.
Zu 5.: Aus Verantwortung vor der eigenen Partei und vor allem aus Verantwortung vor den Wählerinnen und Wählern der Partei ist es notwendig, sich in hohem Maße um eine gemeinsame Haltung innerhalb der Fraktion zu bemühen. Keiner sollte den Hochmut haben, sich anzumaßen, das profunde Fachwissen der anderen Kolleginnen und Kollegen übertreffen zu können und leichtfertig eine andere Haltung zu vertreten. Wenn es allerdings dennoch nicht möglich ist, die eigene Haltung mit der der Fraktion in Übereinstimmung zu bringen gibt es zwei Fälle. Der eine ist die oft so genannte Gewissensentscheidung (oft bei Entscheidungen im weltanschaulichen Bereich). Diese muss aber von den anderen Kolleginnen und Kollegen als eine solche akzeptiert werden, dann benötigt sie keine weitere inhaltliche Begründung. Sofern die Abweichung nicht als Gewissensentscheidung klassifiziert werden kann sondern in einer anderen Auffassung in der Sache begründet ist sollte sich der oder die abweichende Abgeordnete vor der Parteibasis erklären. Diese muss letzten Endes entscheiden, ob die abweichende Auffassung von der Programmatik der Partei gedeckt ist und damit im Rahmen des von den Wählerinnen und Wählern Erwarteten liegt oder nicht.