Frage an Till Backhaus von Heike M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Backhaus,
ich bin Mutter von 4 Kindern (2 eigene, 2 Pflegekinder) und bin berufstätig.
Das Bildungswesen und der Arbeitsmarkt in unserem Land (nicht nur Mecklenburg) bereitet mir seit einiger Zeit „Kopfzerbrechen“. Ich möchte Sie um Ihre Antworten bitten zu folgenden Fragen:
1. Befürworten Sie auf Bundesebene einheitliche Lehr-/Bildungspläne und somit Chancengleichheit für die Kinder und Jugendlichen?
2. Mit welchen Mitteln und Maßnahmen will Ihre Fraktion es schaffen, dass unsere Jugend in unserem Bundesland bleibt und nicht länger gezwungen wird, in anderen Bundesländern Ausbildungsplätze zu suchen?
Also konkret: Was werden Sie tun, um in unserem „Flächenland“ das Unternehmertum zu fördern bzw. Unternehmen anzusiedeln?
3. Weshalb ist es nach über einem Jahrzehnt der Vereinigung beider deutscher Staaten noch immer so, dass es massive Unterschiede in der Entlohnung bei gleicher Arbeit gibt? Wie und wann würden Sie das ändern?
4. Weshalb werden die Menschen, die Initiative zeigen, die ihren Stolz haben und arbeiten wollen, durch Kürzung/Streichung der Kilometerpauschale bestraft, die stundenlange Fahrten zur Arbeit und zurück als Pendler auf sich nehmen, somit auf einen Großteil ihrer Freizeit und des Familienlebens verzichten, aber somit wenigstens nicht der Allgemeinheit „auf der Tasche liegen“?
Ich verurteile niemanden, der keine Arbeit auf Grund widriger Umstände bekommt; nur diejenigen, die sich standhaft weigern, überhaupt je einen Finger zu rühren.
Würden Sie das Engagement der vielen, vielen Pendler in unserem Land honorieren? (Ich muss zum Glück nicht pendeln.)
5. Weshalb wird anstatt radikal Kosten zu senken, sich immer weiter an den „Kleinen“ im Land, hier meine ich Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen, mit immer höher steigenden Kosten (z. B. Steuern) „ausgetobt“?
Was können wir Arbeitenden dafür, dass die Politik nicht mit Geld umgehen kann?
Mit freundlichen Grüßen
Heike Mamerow
Sehr geehrte Frau Mamerow,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen. Gerne möchte ich Ihnen ausführlich antworten.
Zur Frage der einheitlichen Lehrpläne: Sicher wäre es sinnvoll und wünschenswert, wenn es in Deutschland insgesamt solche Bildungsgrundsätze gäbe und natürlich werden von der Bildungsministerkonferenz (ständiges Gremium) jährlich Abstimmungen vorgenommen, damit die jeweiligen Bildungspläne und Schulabschlüsse gegenseitig anerkannt sind. Insoweit ist kein Kind benachteiligt. Aber Bildung ist Ländersache und das wurde durch die unionsgeführten Länder Süddeutschlands im Rahmen der Föderalismusreform noch einmal strikt betont und dann auch beschlossen. Insoweit sehe ich da keinen Spielraum für eine grundsätzliche Vereinheitlichung.
Wichtig für die Chancengleichheit unserer Kinder erscheint mir hingegen, das eigene Bildungssystem auf Vordermann zu bringen. Also längeres gemeinsames Lernen, Ganztagsbetreuung, Lernen beginnend im Vorschulalter, Minimierung der Ausfallstunden und Optimierung der Schulstandorte, damit festere Schüler-Lehrer-Bindungen entstehen. All das hat die Landesregierung in den letzen Jahren angeschoben und das immer bessere Abschneiden unserer Schüler bei den PISA-Tests zeigt, das dieser Weg richtig ist.
Zum Zweiten: Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern mit die besten Ansiedlungsbedingungen für Investoren in ganz Deutschland. Das liegt an den Sonderförderkonditionen, die wir durch die Europäische Union als so genanntes Ziel 1-Gebiet gewährt bekommen. Es gibt sehr günstige Ansiedlungsflächen, gut ausgebildete Fachkräfte, aus Sicht der Unternehmen ein sehr moderates Gehaltsniveau, eine gute Verkehrsinfrastruktur und sehr zügige Genehmigungsverfahren. 364 Unternehmen haben in den letzten vier Jahren davon Gebrauch gemacht und sich hier im Land angesiedelt.
Dabei muss man in Rechnung stellen, dass wir uns mit vielen anderen Regionen in Europa, gerade mit unseren östlichen Nachbarn, in Konkurrenz befinden. Die Landesregierung tut alles in ihren Kräften Stehende, um die Rahmenbedingungen so günstig wie möglich zu gestalten. Zwingen können wir freilich niemanden hierher zu kommen und man kann Wirtschaftsansiedlungen auch nicht verordnen.
Es gibt vier Schwerpunktsektoren, auf die wir uns konzentrieren: Land- und Ernährungswirtschaft, maritime Wirtschaft, Gesundheitswirtschaft und Tourismus sowie Biotechnologie und Medizintechnik. Das sind unsere Stärken, die gilt es auszubauen. Wir sichern überdies gemeinsam mit der hiesigen Wirtschaft, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt. Kehrseite der prekären Beschäftigungssituation ist jedoch, dass eine anschließende Übernahme leider für viel zu wenige Facharbeiter erfolgt. Deshalb gehen viele in die Metropolregionen Westdeutschlands und gerade junge Frauen kehren nur selten zurück. Das ist ein demographisches Gesamtproblem für alle neuen Bundesländer, nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Entwicklung kann man nur mit vielen kleinen Schritten entgegen wirken, z.B. unsere eigenen Zentren finanziell und organisatorisch zu stärken, so wie wir das auch mit der Gebietsreform beabsichtigen.
Warum es immer noch ein unterschiedliches Gehaltsniveau in Ost und West gibt, müssten Sie eigentlich die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften fragen, denn die verhandeln die Löhne in Deutschland. Wirtschaftswissenschaftler begründen das mit der immer noch unterschiedlichen Arbeitsproduktivität und den höheren Lebenshaltungskosten im Westen. Es gibt auch Branchen, die inzwischen keine Unterschiede mehr machen, da hat eine Anpassung stattgefunden. Im öffentlichen Dienst - und nur hier hat der Staat wirklich Einfluss gibt es einen Fahrplan, der davon ausgeht, von 2008 beginnend bis 2010 bei allen Gehaltsgruppen eine einhundertprozentige Anpassung vorzunehmen. Das geht allerdings mit der Gesamtreduzierung der Personalkosten durch Altersabgang und Stellenabbau einher.
Die Kürzung der Kilometerpauschale ist Teil der durch den Bund beschlossenen Haushaltskonsolidierung. Mecklenburg-Vorpommern hat als Land mit großer Pendlerbewegung im Bundesrat dagegen gestimmt. Inzwischen hat es ja auch durch die Bundesregierung eine Modifizierung mit der 20 Kilometerregelung gegeben. Insgesamt ist das Ergebnis sicher nicht befriedigend. Aber dass auch gut verdienende Arbeitnehmer bisher jeden Cent selbst für kurze Arbeitswege gerne als Steuerrückerstattung mitgenommen haben und dass dies allen Steuerzahlern richtig viel Geld gekostet hat, gehört auch zur Wahrheit.
Ich kann Ihren Unmut über viele Sparbeschlüsse durchaus verstehen. In die sozialen Sicherungssysteme und die Steuergesetzgebung sind nahezu alle Bürger einbezogen, deshalb treffen Sparmaßnahmen augenscheinlich auch immer "die kleinen Leute" am meisten. Allerdings sind die bisherigen Sicherungssysteme in Deutschland finanziell und strukturell nicht mehr länger funktionsfähig. Deshalb müssen sie umgebaut werden, um sie überhaupt erhalten zu können und das bedeutet in der Regel nur noch eine Sockelfinanzierung und höhere Belastungen bzw. Eigenbeteiligungen für den Einzelnen.
Aber auch das Land spart kräftig an seinen eigenen Ausgaben. Wir werden bis 2010 insgesamt 10.000 Stellen in der Landesverwaltung abbauen. Es sind bereits gut die Hälfte aller Landesämter abgeschafft bzw. neu geordnet worden. Mit den fünf Kreisen und der Reform der Amtsverwaltungen wird auch auf diesen Ebenen Bürokratie abgebaut und Verwaltungsausgaben gesenkt. Im Staatshaushalt sparen heißt allerdings auch, alle Leistungsgesetze des Landes kritisch zu hinterfragen. Wir haben zum Teil Sozial-, Bildungs- und Beratungsstandards, von denen viele alte Bundesländer träumen. Nicht umsonst werfen uns die "Geberländer" Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die Fehlausgabe der Solidarfondsmittel vor. Die jährliche Zuweisung von ca. 1 Milliarde Euro aus dem Solidarfonds wird bis 2020 Stück für Stück auf Null gefahren. Außerdem sinken ab 2010 die Mittel aus Brüssel drastisch; Bis 2014 sind es nur noch halb soviel wie derzeit.
Sie können mir glauben, dass diese Aussichten keinen Politiker glücklich machen, denn das heißt sparen, ohne die Standortattraktivität des Landes aufzugeben. Wenn wir die Eigenständigkeit unseres Landes aufrechterhalten wollen, wird das von allen Menschen noch größere Anstrengungen erfordern. Als Sozialdemokrat stehe ich allerdings dafür ein, dass stärkere Schultern auch deutlich mehr tragen müssen als Schwächere.
Mit freundlichen Grüßen,
Till Backhaus