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Frage von Annette K. •

Frage an Ties Rabe von Annette K. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Rabe,

Ihre Position in der Frage des längeren gemeinsamen Lernens verwirrt mich sehr. Und glauben Sie mir - es geht mir wahrhaftig mit meiner Frage um nicht mehr und nicht weniger als um die Wählbarkeit der Hamburger SPD.

Deshalb bitte ich Sie, mir verständlich zu machen, warum Sie als einer der Bauherren des Hamburger Schulfriedens immer wieder das Thema der Starterschulen aufbringen. Gilt der Frieden nicht auch für sie? Ich habe bei der Sitzung des Schulausschusses von Seiten der Behörde die Äußerung gehört, dass es jenseits aller juristischen Argumente auch eine Frage des Anstandes sei, die betroffenen Familien nicht von ihren zugesagten Schulplätzen zu vertreiben. Sie, Herr Rabe, sind dieser Meinung nicht?

Daher frage ich Sie: Wenn man die 860 Kinder zusammenriefe - was würden Sie ihnen dann über ihre schulische Zukunft sagen? "Ich kann nicht zulassen, dass Ihr an Eurer Schule bleibt, weil..."? Finden Sie nicht, dass man sie schützen und abschirmen müsste, anstatt eine stetige Ungewissheit um sie herum zu schüren? Welchen Schaden kann ein Verbleib dieser Kinder in ihren Schulen der Stadt oder der Demokratie zufügen? Was ist so schrecklich an der Vorstellung, dass Kinder, die jetzt in der 4. Klasse sind, so hervorragende Erfahrungen gemacht haben, dass sie sich gerne freiwillig an einem Schulversuch beteiligen würden? In welcher Weise stehen sie im Widerspruch zu einem Volksentscheid, der Elternwahlrecht einfordert und eine flächendeckende Reform ablehnt? Was macht sie zu einem Problem? Zu einem so großen Problem, dass man fast täglich darüber in der Zeitung liest?

Ich wäre Ihnen für eine ernsthafte Antwort sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Annette Kühner

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Kühner,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema "Starterschulen", auf die ich gern antworten möchte.

865 Kinder sind vor den Sommerferien an den Starterschulen angemeldet worden. Damals erwarteten die Eltern und Lehrer, dass die Starterschulen der Start in eine neue Schulform - die Primarschule - sind. Nach dem Volksentscheid ist klar: Die Primarschule wird es in Hamburg nicht geben. Das sind die demokratischen Spielregeln, Mehrheit ist Mehrheit.

Damit ist eine neue Situation entstanden. Denn "Starterprimarschulen" machen keinen Sinn, wenn der Start in die Primarschule abgesagt ist. In dieser Situation haben die Schulkämpfer auf allen Seiten sofort ihre Maximalpositionen bezogen:

- Senatorin Goetsch hat noch am Wahlabend versprochen: Alle Starterschulen bleiben. Diese Schulen können sogar unter dem Etikett "Schulversuch" dauerhaft die Primarschule weiterführen. Damit wäre die Primarschule dann doch in immerhin elf Prozent aller Hamburger Grunschulen eingeführt. Das kommt zwar den Eltern der Starterschüler entgegen, widerspricht aber dem Volksentscheid.
- Vertreter der Initiative "Wir wollen lernen" haben inzwischen gefordert, die Starterschulen spätestens nach Klasse 5 zu schließen. Sie halten die Startertschulen für einen Trick der Behörde, um den Volksentscheid zu unterlaufen. Diese Position entspricht sicher dem Volksentscheid, aber hilft den betroffenen Eltern und Kindern wenig.

Die SPD hat sich in ihrer Position von drei Eckpunkten leiten lassen:
1. Wir wollen uns an den Volksentscheid halten und nicht den schlimmen Eindruck erwecken, wir tricksen die Wähler aus.
2. Wir wollen die betroffenen  Kinder und Eltern nicht zwangsweise abschulen. Wir respektieren ihre Wahl.
3. Wir wollen eine für alle Seiten eine sachlich und juristisch sichere Lösung. Es darf nicht sein, dass nach einigen Monaten irgendein Verwaltungsgericht die Starterschulen beendet, weil sie juristisch auf wackligen Beinen stehen (Im Moment stehen sie juristisch betrachtet leider sehr wacklig dar). Und wir wollen vermeiden, dass nach der 6. Klasse die Starterschüler keine Anschlussschule finden. Leider gibt es auch für dieses Problem zurzeit  weder eine Regelung noch eine Lösung.

Deshalb will die SPD zwischen den beiden Kontrahenten vermitteln. Wir sagen:
1. Die Schulbehörde muss klar sagen, dass die Starterschulen keine dauerhafte Schulform sind, sondern nur eine Übergangslösung. Wenn das gesagt wird, ist klar, dass die Starterschulen nicht missbraucht werden, um langfristig den Volksentscheid wieder auszuhebeln und die Primarschule doch einzuführen.
2. Die Eltern der Starterschüler müssen auch unter den neuen, schwierigeren Rahmenbedingungen klar sagen, dass sie trotzdem weiterhin ihre Kinder auf eine Starterschule schicken wollen. So wollen wir sicherstellen, dass alle Beteiligten ganz bewusst die nicht unerheblichen organisatorischen und anderen Schwierigkeiten kennen und meistern wollen.

Wenn das beides gewährleistet ist, dann werden wir als SPD eine pragmatische Lösung mittragen, die durchaus so sein kann, dass dieser eine Jahrgang eine Starterschule bis Ende Klasse 5 oder Klasse 6 besuchen kann.

Wir glauben, dass mit einer solchen Politik beiden Wünschen entsprochen wird. Die Kinder, deren Eltern das wollen, dürfen diesmal eine Starterschule besuchen. Und gleichzeitig ist klar: Diese einmalige Ausnahme ist kein auf Dauer angelegter Trick, um die Primarschule durch die kalte Küche am Volksentscheid vorbei wieder einzuführen.

Und wenn Sie mich fragen, was ich den 865 Kindern sagen würde, dann wäre es dies:
Es wird zwar nicht leicht, aber wenn ihr auch nach dem Volksentscheid immer noch eure Starterschule besuchen wollt, dann habt ihr meinen Segen und wir helfen euch, Lösungen zu finden. Aber nach Euch wird es keine weiteren Starterkinder mehr geben.

Lassen Sie mich zum Abschluss deutlich machen, dass ich mir ein anderes Ergebnis beim Volksentscheid gewünscht habe und dafür auch drei Monate lang Wahlkampf gemacht habe. Aber der Volksentscheid ist klar ausgegangen, egal ob ich das gut oder schlecht finde. Wenn Politiker jetzt den Eindruck erwecken, sie würden sich nicht an diesen Volksentscheid halten, dann halte ich das für verheerender als jede schulpolitische Streitfrage. Dann entsteht nämlich bei den Wählern der - vermutlich nicht einmal unberechtigte - Eindruck: Die machen da oben was sie wollen. Und damit würden wir durch unser Verhalten das Vertrauen in die demokratischen Institutionen nachhaltig erschüttern.

Keine Sachentscheidung ist es wert, dieses Vertrauen in unsere Demokratie zu untergraben. Egal ob Atomkraft (gegen die ich leidenschaftlich kämpfe), oder Rentenpolitik oder Krieg - alle diese Fragen müssen sich den demokratischen Spielregeln der Meinungsbildung beugen. Und auch eine Starterschule - so wichtig man sie auch finden mag - rechtfertigt es nicht, sich über den Willen der Mehrheit hinwegzusetzen. Deshalb unser Versuch, hier zwischen beiden Positionen zu vermitteln.

Herzliche Grüße

Ihr
Ties Rabe