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Frage von Robert S. •

Frage an Ties Rabe von Robert S. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Rabe,

das längere gemeinsame Lernen ist ja schon seit langem eine Forderung Ihrer Partei. Im Bundesparteiprogramm von 2007 ist zu lesen: "Über Bildungswege und Chancen wird in unserem Bildungssystem zu früh entschieden. Wir werben dafür für ein Schulsystem, in dem Kinder solange wie möglich zusammen und voneinander lernen. Dies ist am besten zu erreichen an einer gemeinsamen Schule bis zur 10. Klasse."

Dieser, Ihrer Forderung steht die Frage nach belastbaren Studien über das längere gemeinsame Lernen gegenüber, die ja auch hier auf abgeordnetenwatch mehrfach an Sie gestellt wurde. Meines Wissens forderte WWL in den Verhandlungen seinerzeit 50 Versuchsschulen mit wissenschaftlicher Begleitung.

Dazu meine Fragen an Sie:

Wie stehen Sie dazu, dass Herr Dr. Scheuerl jetzt seine eigene Forderung konterkariert, indem er eine Verfassungsklage gegen die 23 Starterschulen plant?

Was sagen Sie den 865 Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern, die durch dieses Vorgehen sehr verunsichert werden?

Welche alternative Möglichkeit sehen Sie, zu den gewünschten empirischen Belegen zum Funktionieren des längeren gemeinsamen Lernens zu kommen?

Ist es nicht Ihr eigenes Ansinnen, jetzt endlich die Forderung der SPD nach längerem gemeinsamem Lernen mit belastbaren empirischen Daten zu unterfüttern?

Mit freundlichen Grüßen
Robert Schneider

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Herr Schneider,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema "Starterschulen" und "gemeinsames Lernen", auf die ich gern antworten möchte.

Meine Position zu den Starterschulen habe ich bereits im Zusammenhang mit den ähnlichen Fragen von Frau Kühner hier auf Abgeordnetenwatch dargestellt. Um meine Antwort nicht unnütz in die Länge zu ziehen, hier nur eine kurze Zusammenfassung:

1. 23 Starterprimarschulen, die auf Dauer angelegt sind, führen die Primarschule durch die kalte Küche ein und sind mit dem Volksentscheid nicht zu vereinbaren. Wir werden uns an den Volksentscheid halten und nicht den schlimmen Eindruck erwecken, wir tricksen die Wähler aus.
2. Wir wollen die Kinder, deren Eltern sich für eine Starterschule entschieden haben, nicht zwangsweise abschulen. Wir respektieren ihre Wahl.
3. Wir wollen für alle Seiten eine sachlich und juristisch sichere Lösung. Es darf nicht sein, dass nach einigen Monaten irgendein Verwaltungsgericht die Starterschulen beendet, weil sie juristisch auf wackligen Beinen stehen (Im Moment stehen sie juristisch betrachtet leider sehr wacklig dar). Und wir wollen vermeiden, dass nach der 6. Klasse die Starterschüler keine Anschlussschule finden. Leider gibt es auch für dieses Problem zurzeit weder eine Regelung noch eine Lösung.

Deshalb sagen wir:
1. Die Schulbehörde muss klar sagen, dass die Starterschulen keine dauerhafte Schulform sind, sondern nur eine Übergangslösung. Wenn das gesagt wird, ist klar, dass die Starterschulen nicht missbraucht werden, um langfristig den Volksentscheid wieder auszuhebeln und die Primarschule doch einzuführen.
2. Die Eltern der Starterschüler müssen auch unter den neuen, schwierigeren Rahmenbedingungen klar sagen, dass sie trotzdem weiterhin ihre Kinder auf eine Starterschule schicken wollen. So wollen wir sicherstellen, dass alle Beteiligten ganz bewusst die nicht unerheblichen organisatorischen und anderen Schwierigkeiten kennen und meistern wollen.

Wenn beides gewährleistet ist, dann werden wir als SPD eine pragmatische Lösung mittragen, die durchaus so sein kann, dass dieser eine Jahrgang eine Starterschule besuchen kann. Wir glauben, dass mit einer solchen Politik beiden Wünschen entsprochen wird. Die Kinder, deren Eltern das wollen, dürfen diesmal eine Starterschule besichen. Und gleichzeitig ist klar: Diese einmalige Ausnahme ist kein auf Dauer angelegter Trick, um die Primarschule durch die kalte Küche am Volksentscheid vorbei wieder einzuführen.

In Bezug auf das gemeinsame Lernen zeigt der Volksentscheid sehr klar: Die Primarschule ist abgelehnt. Daran können auch SPD-Parteiprogramme nichts ändern. Über allen politischen Programmen und Wünschen von Parteien stehen nämlich die Wähler. Und die haben klar entscheiden. Deshalb kann es auch weder "Versuchsschulen" noch "Starterschulen" noch sonst irgend etwas gegeben. Wir als SPD haben klar gesagt: Wir akzeptieren den Volksentscheid. Für die nächsten zehn Jahre steht die Hamburger Schulstruktur damit fest: Vier Jahre Grundschule, danach führen zwei Wege zu den weiteren Abschlüssen: die Stadtteilschule und das Gymnasium.

Der 40jährige Dauerstreit über die Hamburger Schulstruktur ruht damit längere Zeit. Das sollten wir als Chance begreifen. Denn ohne diesen Kräfte zehrenden Dauerkonflikt gewinnen wir Kraft, Zeit und Ressourcen, um viele dringend notwendige und sinnvolle Reformen auf den Weg zu bringen. Die Schüler, Eltern und Lehrer werden es uns danken. Was ist zu tun?
1. Der Unterricht und die Schulen müssen mit einer Qualitätsoffensive von innen verbessert werden. Die Entwicklung des individualisierten Unterrichts muss weitergehen. Eine bessere Lehre, Aus- und Fortbildung gehört dazu.
2. Für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien müssen die Bildungschancen deutlich verbessert werden. Notwendig sind u.a. mehr Ganztagsangebote, bessere frühkindliche Bildungsangebote, eine bessere Integration von Förderschülern und vielfältige Fördermaßnahmen wie beispielsweise Sprachförderung.
3. Die neu gegründete Stadtteilschule muss zu einer hervorragenden Schule entwickelt werden, die Schülerinnen und Schülern aller Begabungen beste Bildungschancen bietet. Wenn das gelingt, dann haben wir mehr für längeres gemeinsames Lernen getan, als alle anderen Bundesländer in den letzten Jahren bewegt haben.

Das ist genug für zwei Legislaturperioden. Und es ist genug, um Hamburgs Schulen um Jahre nach vorn zu bringen.

Sie fragen weiterhin nach der Perspektive für längeres gemeinsames Lernen, das ja schließlich im Bundesprogramm der SPD aufgeführt wird. Hier ist meine Antwort sehr klar. Die SPD ist zunächst einmal eine Partei, die die demokratischen Spielregeln achtet. Und diese demokratischen Spielregeln stehen höher als politische Wünsche in einzelnen Politikfeldern. Keine Sachentscheidung ist es wert, das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie zu untergraben. Alle politischen Sach-Fragen müssen sich den demokratischen Spielregeln der Meinungsbildung beugen. Und auch eine Starterschule - so wichtig man sie auch finden mag - rechtfertigt es nicht, sich über den Willen der Mehrheit hinwegzusetzen. Wir werden das nicht tun und ich rate es auch keinem anderen Politiker.

Herzliche Grüße

Ihr
Ties Rabe