Frage an Thorsten Schick von Tim H. bezüglich Verkehr
Warum haben Sie gegen die Anschaffung der Straßenbaubeiträge gestimmt? Denke die Bürger hätten sich sehr darüber gefreut zusätzlich reden wir von mehreren tausend Euro die jeder Bürger zahlen muss. Quelle Focus.de
Sehr geehrter Herr Hell,
vielen Dank für Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch.de. Sie fragten, warum ich gegen die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gestimmt habe. Um es kurz zu fassen: wir als Regierungskoalition freuen uns, mit den Beteiligten eine Lösung gefunden zu haben, die sowohl für die Kommunen darstellbar ist, als auch die Beitragszahlungen der Anwohner halbiert bzw. die zu tragenden Beitragszahlungen auf maximal 40% der Ausbaukosten begrenzt.
Als CDU-Landtagsfraktion beschäftigen wir uns mit diesem Thema bereits seit Jahren und haben seitdem wir in Regierungsverantwortung stehen – als erste Regierungskoalition seit 50 Jahren – eine Reform auf den Weg gebracht. Mit Vertretern der Kommunen und des zuständigen Ministeriums genau wie mit Betroffenen haben wir beraten, wie man das System der Durchführung und Abrechnung kommunaler Straßenausbaumaßnahmen reformieren und dabei gleichzeitig die Anlieger entlasten sowie den kommunalen Straßenbau ohne Einnahmeeinbußen seitens der Städte und Gemeinden dynamisieren kann. Dies ist notwendig. Denn trotz offensichtlichen Sanierungsbedarfs haben faktisch viele Kommunen seit Jahren keine Anliegerstraßen mehr saniert – aus Angst vor Protesten vor Ort und sicherlich auch in der Hoffnung auf Geld des Landes.
Unsere Reform des KAG ist nach dem Beschluss am 18. Dezember 2019 in zweiter Lesung im Landtag seit dem 1. Januar 2020 in Kraft. Ein Förderprogramm des Landes mit einem jährlichen Volumen von 65 Mio. € werden wir zusätzlich dieses Jahr auflegen. Kernpunkte des Gesetzes und des Förderprogramms sind u. a.:
1. Die Beitragszahlungen der Anlieger werden halbiert. Kein Anlieger in Nordrhein-Westfalen wird zukünftig mit mehr als maximal 40 Prozent der Ausbaukosten belastet, die Meisten mit weit weniger.
2. Die Entlastung gilt für alle Maßnahmen, die nach dem 1. Januar 2018 von der Kommune beschlossen worden sind.
3. Mindereinnahmen der Kommunen kompensiert das Land mit 65 Mio. Euro pro Jahr. Das entspricht rund der Hälfte der jährlich landesweit in Rechnung gestellten Straßenbaubeiträge.
4. Wir führen einen Rechtsanspruch auf Ratenzahlung, einen marktüblichen Zinssatz sowie eine Härtefallregelung ein. Bei erheblichen sozialen Härten können Anliegerbeiträge gestundet werden.
5. Wir führen eine verpflichtende und zeitlich vorgelagerte Bürgerbeteiligung der betroffenen Anliegerinnen und Anlieger ein. Dadurch können sie direkt beeinflussen, wie die Maßnahme konkret ausgestaltet wird.
6. Die Landesregierung wird einen Bürgerleitfaden zu Anliegerbeiträgen zur Verfügung stellen, der über die rechtlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen informiert.
Wir haben uns bewusst entschieden, das System nicht aufzugeben aber grundsätzlich bürgerfreundlicher zu gestalten. Diesen Wunsch haben die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände deutlich formuliert. Dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend die Erwartung haben, dass die Straßeninfrastruktur auf kommunaler Ebene grundsätzlich kostenlos bereitgestellt werden müsse, ist mir sehr wohl bewusst. Diese Haltung ist aus meiner Sicht aber problematisch.
Eine Abschaffung der Anliegerbeiträge, wie auch von der SPD gefordert, ist aus meiner Sicht unsolidarisch. Denn ihre Abschaffung führt zwangsläufig zu Mindereinnahmen der Kommunen, die wiederum aus dem Landeshaushalt finanziert werden müssten. Damit kämen alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Sanierung selbst der kleinsten Straße auf, die ausschließlich von Anliegern benutzt wird. Warum es gerechter sein soll, dass nach dem Vorschlag der SPD diejenigen, die sich selber kein eigenes Grundstück leisten können, über ihre Steuern Grundstückseigentümer entlasten, erschließt sich mir nicht. Trotz jahrzehntelanger Regierungszeit hat die SPD das Thema erst in der Opposition aufgegriffen und sich einer Lösung dieser Frage vollkommen verweigert.
Dass unser Ansatz statt des Gießkannenprinzips dort hilft, wo die Beiträge besonders hoch sind, ist aus meiner Sicht der bessere Weg. Mit der verpflichtenden Bürgerbeteiligung gewährleisten wir, dass die Menschen, die eine Maßnahme betrifft, Mitspracherechte bekommen.
Mit der am 18.12.2019 verabschiedeten Gesetzesnovelle ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt getan, damit Straßenausbaumaßnahmen für die Menschen in unserem Land berechenbarer, transparenter und sozialer werden. Mit unserer Lösung der KAG-Thematik haben daher einen aus meiner Sicht gelungen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen gefunden. Um sicherzustellen, dass wir unser Ziel erreichen, ist eine Evaluation vorgesehen. Ich bin zuversichtlich, dass uns diese in unserem Kurs bestärken wird.
In der Hoffnung, dass ich Ihnen meine Position und die der CDU-Fraktion verständlich und nachvollziehbar schildern konnte, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Thorsten Schick