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Thomas Silberhorn
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Frage von Rebecca F. •

Frage an Thomas Silberhorn von Rebecca F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Silberhorn,

neulich war ich abends mit meinem Freund was trinken und es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über Volksentscheide auf Bundesebene.
Mein Freund war dagegen, denn er meinte, dass gerade populistischen Meinungen hier Tür und Tor geöffnet sei.
Außerdem könnten Minderheiten bei einem Volksentscheid doch noch viel mehr benachteiligt werden.
Ergibt sich dieses Problem nicht gleichermaßen auch in der representativen Demokratie?
Da mich nicht nur dieses Gegenargument von Ihm ins Zweifeln brachte, würde ich mich über Ihre Unterstützung sehr freuen.
Wie ist Ihre Meinung zum bundesweiten Volksentscheiden im Allgemeinen?

Beste Grüße

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Fertl,

persönlich stehe ich plebiszitären Elementen aufgeschlossen gegenüber. In Bayern haben wir mit Volksentscheiden, die bei Verfassungsänderungen sogar zwingend sind, und mit Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene im Wesentlichen gute Erfahrungen gemacht.

Auf Bundesebene könnten Volksabstimmungen nur durch eine Änderung des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat eingeführt werden. Eine solche Mehrheit ist seit Jahrzehnten und wohl auch auf absehbare Zeit nicht erreichbar. Dennoch halte ich es für geboten, jedenfalls bei grundlegenden europäischen Verträgen, die in Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden müssen, das Volk einzubeziehen.

Europäische Verträge können nämlich nicht mehr einseitig revidiert werden. Eine Änderung erfordert vielmehr einen weiteren Vertrag, dem alle anderen 26 EU-Mitgliedstaaten ebenfalls zustimmen müssen. Dieser Mangel einseitiger Rückholbarkeit durchbricht das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Danach übertragen die Wähler die Entscheidungsmacht zeitlich befristet auf Abgeordnete, können diese Übertragung bei der nächsten Wahl aber wieder korrigieren. Wenn diese Möglichkeit der Korrektur durch die Wählerschaft nicht existiert, müssen die Wähler bei der nicht einseitig revidierbaren Entscheidung selbst - also bei der Ratifikation europäischer Verträge - eingebunden werden.

Volksabstimmungen sollten deshalb bei der Übertragung wichtiger Zuständigkeiten auf die Europäische Union und bei Beitritten zur EU ermöglicht werden. Beide Fälle sind den nach dem Grundgesetz vorgesehenen Volksabstimmungen übrigens nicht unähnlich: Eine Neuordnung der Bundesländer erfordert nach Art. 29 GG eine Volksabstimmung in diesen Bundesländern. Wenn mit einem EU-Beitritt die europäische Familie neu sortiert wird, ist das in der Substanz sehr nahe bei einer Neuordnung in der Familie deutscher Länder. Das deutsche Volk kann sich zudem eine neue Verfassung geben (vgl. Art. 146 GG). Inwieweit dem Vertrag von Lissabon diese Qualität beizumessen ist, war ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu diesem Vertrag. Es ist damit jedenfalls dargetan, dass ein europäischer Vertrag die Frage einer Ratifikation durch Volksabstimmung aufwerfen kann.

Nach meiner Wahrnehmung führen meine Argumente für Volksabstimmungen über europäische Verträge selbst bei bislang entschiedenen Gegnern von Volksabstimmungen auf Bundesebene zunehmend zu einem Umdenken. Wer weiter gehen will, wird erst recht diesen Schritt mitgehen müssen, um nicht die eigene Position in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Silberhorn

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